DE
Museumsmanagement Niederösterreich, Foto: Katrin Vogg

So ein Theater!

Alle ArtikelNÖ MuseenAusstellungen und Veranstaltungen

… bei „Andiamo a Trieste“…

Vorbei sind die Zeiten, als ein Besuch im Museum das schweigende Betrachten von Objekten, ein Flüstern vor Gemälden und ehrfürchtiges Staunen vor dem scheinbar allumfassenden Wissen der „Führer*innen“ war. Kulturvermittlung will etwas ganz anderes! Sie will Menschen miteinbeziehen, sie partnerschaftlich für Kunst, Geschichte, Technik oder eines der vielen speziellen Sammlungsgebiete begeistern. Dialog, Fragen, Lachen und Staunen, genau das wollen wir vermitteln. Wir möchten die Menschen im Herzen berühren, sie betroffen machen und zum Gespräch nach einem Vermittlungsprogramm anregen. Die freie Theatergruppe des SOG Theaters aus Wiener Neustadt ist zwei Mal im Jahr mit ihrem „Playback Theater“ im Museum St. Peter an der Sperr zu Gast. Dann erzählen Besucherinnen und Besucher ihre kurzen Erlebnisse zu einem Thema, wie Sommer, Reisen, Erinnern oder Familie. Die Theatergruppe spielt diese Szenen „zurück“, sie setzt sie künstlerisch-assoziativ um. Aus der Freude der Teams von Museum und Theatergruppe an der Umsetzung von Themen ergab sich eine natürliche Verbindung von Kulturvermittlung und theatralen Methoden.

Im Herzen bewegt

Mit dieser theatralischen Umsetzung hat das Museum in Wiener Neustadt Neuland betreten. Wie muss eine Ausstellung geplant werden, damit sich Publikum und Schauspieler darin bewegen können? Welche Geschichten kann man damit erzählen? Welche Möglichkeiten bieten Literatur, Musik und museale Präsentation für unsere Gäste? Rasch war klar, man braucht vor allem Begeisterung für die Sache, Mut zur Auswahl der Themen und – ausreichend Platz im Ausstellungsraum. Mit der Sonderschau „teatime“ über die Kulturgeschichte des Tees wurde 2013 der erste Versuch gestartet, Kulturvermittlung mit theatralen Mitteln umzusetzen. Bei einem Gastspiel einer chinesischen Theatertruppe waren einige Zeit zuvor im Stadttheater Wiener Neustadt Kulissen zurückgeblieben. Diese wurden in die Ausstellung eingebaut und als Theaterbühne genutzt. Wo solche offensichtlichen Hilfsmittel fehlten, überspielten das die Schauspielerinnen und Schauspieler mit Pantomime, literarischen Zitaten und Requisiten. Die Kulturvermittlerin übernimmt in einem solchen Ablauf den verbindenden Part. Sie verknüpft das Theatrale mit kurzen Statements, lässt sich von den Schauspielern unterbrechen, greift aber auch in Szenen ein.

2014, im Gedenkjahr an den Beginn des Ersten Weltkriegs, bezogen die theatralen Interventionen das Publikum direkt ein, gespielt wurde mitten in der Gruppe. Diese Unmittelbarkeit zeigte in den abschließenden Diskussionen Folgen, denn die Besucherinnen und Besucher waren viel eher bereit, im Anschluss über das Erlebte zu sprechen, waren betroffener.

„Die Schutt(t)räumerinnen“ 2016 wurden zur Ausstellung über den Wiederaufbau von Wiener Neustadt geplant. Dieses Programm, das in den Kasematten startete, durch die Stadt führte und im Museum endete, war für das ganze Team ein prägendes Erlebnis. Die persönliche Betroffenheit der Besucherinnen und Besucher, meist Nachgeborene mit sehr intensiven Familienerinnerungen, hat die „Schutt(t)räumerinnen“ getragen und einen großen Erfolg ermöglicht. Das SOG Theater bekam dafür einen Kulturpreis des Landes Niederösterreich.

Sehnsucht nach Triest

Theater, Museum und gutes Essen? Ja, das passt wunderbar zusammen. Zur Ausstellung über den Wiener Neustädter Kanal 2016 entstand ein theatral-historisch-literarisch-musikalisch-kulinarisches Programm: „Andiamo a Trieste“. Die großen Pläne der Konstrukteure, den Kanal bis nach Triest zu bauen, scheiterten im 19. Jahrhundert zwar, die Sehnsucht nach Italien, wenn auch nicht aus verkehrspolitischen Gründen, ist doch ein ewiges Thema.

Biedere Zeiten?

Begleitend zur Ausstellung „Biedere Zeiten“, die sich mit dem gar nicht so biederen Biedermeier in Wiener Neustadt auseinandersetzt, wird derzeit an einem theatralen Kulturvermittlungsprogramm für Herbst 2021 gearbeitet. Es richtet das Brennglas auf eine Zeit, die sich zwischen den Polen Fortschrittlichkeit und Stagnation befand. Im Wechselspiel zwischen Konservativismus und Liberalismus eröffneten sich manchmal Chancen, die zu ergreifen sich lohnten. Jene, die sich ihren Platz im Leben mühsam erkämpfen mussten, scheiterten oft an den starren Systemen. Dies zu beleuchten, ist eine spannende Aufgabe. Ab Herbst 2021 laden das SOG Theater und das Museum St. Peter an der Sperr ein, in die Welt des Biedermeiers einzutauchen und sich begeistern, ergreifen, belustigen, in Erstaunen versetzen zu lassen.


Text: Eveline Klein
 

Dieser Artikel ist ursprünglich im Schaufenster Kultur.Region erschienen.
 

Nachlese:
Im Rahmen des Niederösterreichisch-Tschechischen Museumstag hielt Eveline Klein den Vortrag „Mit Herz, Hirn und Hand. Theatrale Kulturvermittlung im Museum“. Dieser kann, gemeinsam mit anderen Präsentationen und Praxisbeispielen zum Thema „Museen als relevante Orte der Region: Museen bewegen“, auf www.noemuseen.at nachgehört und -geschaut werden.