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Museumsmanagement Niederösterreich, Foto: Katrin Vogg

Die Frauen von Krems

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museumkrems, Maria Nahmer auf Motorad

Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war das Reisen ein ausgesprochenes Vorrecht meist wohlhabender Männer. Das Reisen von Frauen galt als gesellschaftliches Tabu, widersprach es doch dem bürgerlichen Ideal der häuslichen Frau, die ihre Erfüllung in der Haushaltsführung und Kindererziehung zu finden hatte. Es gab aber auch Frauen, die diese Grenzen überwinden wollten, die sich nicht von der damaligen Männerhierarchie einschüchtern ließen und die nichts zu Hause hielt.

Unterwegs – in der Welt

1846 brach die Wienerin Ida Pfeiffer zu ihrer ersten Weltreise auf und sollte im Lauf der nächsten zweieinhalb Jahre als erste Frau, noch dazu ganz alleine, die Welt umrunden. Doch auch abseits der Großstadt gab es Frauen, die ihren Traum von Mobilität und Abenteuerlust lebten.
Leopoldine von Morawetz-Dierkes wurde 1861 in eine Kremser Militärfamilie hineingeboren. Bereits als Jugendliche begann sie, Geschichten und Aufsätze zu schreiben – ihre literarischen Ambitionen fanden jedoch ein jähes Ende: Während ihrer sehr jung geschlossenen Ehe untersagte ihr der Ehemann jegliche schriftstellerische Aktivitäten. 1885 ließ sie sich nach acht von Unterdrückung und finanziellen Schwierigkeiten geprägten Ehejahren scheiden, ein ungewöhnlicher Schritt für die damalige Zeit. Erst jetzt konnte sie ihren beiden großen Leidenschaften, dem Reisen und dem Schreiben, ungehindert nachgehen.

Sie unternahm ausgedehnte Studienreisen, die sie nach Skandinavien, Griechenland, Kreta, Tunesien, Malta, Sizilien, Sardinien und Korsika führten. Ihre literarischen Reiseberichte wurden regelmäßig in verschiedenen Zeitschriften veröffentlicht. Im November 1897 hielt sie als erste Frau einen Vortrag in der kaiserlich-königlichen Geographischen Gesellschaft in Wien. Sie sprach über Finnland und zeigte dazu von ihr selbst angefertigte Fotografien. Bis dahin waren alle Frauen, selbst Weltreisende, abgewiesen worden, da man befürchtete, dies würde dem wissenschaftlichen Ansehen der Gesellschaft schaden. Leopoldine von Morawetz-Dierkes musste das Manuskript ihres Vortrages einreichen und durfte erst nach der inhaltlichen Prüfung durch ein – ausschließlich männliches – Fachkomitee vortragen. Noch im selben Jahr wurde sie als ordentliches Mitglied in die k.k. Geographische Gesellschaft aufgenommen, ihre lebhaften Bild-Vorträge fanden regen Zuspruch. Mit der Entwicklung des Automobils und des Motorrades Ende des 19. Jahrhunderts änderten sich Mobilität und Reiseverhalten rasant. Auch wenn es in der Anfangszeit Männern vorbehalten war, Auto zu fahren, dauerte es nicht lange, bis auch Frauen die neuen Möglichkeiten der Fortbewegung für sich entdeckten.

Unterwegs – in Krems

„Ich kann mich noch gut erinnern: die Nahmer-Mitzi fetzt mit ihrer schweren BMW um die Kurve, den Beiwagen in der Höh´!“ – diese und ähnliche Geschichten hört man in und um Krems noch oft, wenn man nach Maria, genannt „Mitzi“, Nahmer fragt. Die 1892 in Langenlois geborene Maria Nahmer war eine der ersten Frauen in Österreich, die an Motorradrennen teilnahmen. Auf einer 500er-BMW startete sie Ende der 1920er Jahren bei Bahn-, Berg- und Straßenrennen, zum Beispiel bei den legendären Rennen auf den Riederberg bei Wien. Sie setzte sich in einer sehr frühen Zeit über „klassische“ Geschlechterrollen hinweg: Frauen, die selbst Kraftfahrzeuge lenkten, waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch extrem selten, erst 1915 legte die erste Frau in Österreich eine Führerscheinprüfung ab. Dieses Durchbrechen gesellschaftlicher Konventionen war in einer ländlich und traditionell geprägten Umgebung noch bemerkenswerter als im Umland größerer Städte, wo der gesellschaftliche Wandel meist schneller akzeptiert wurde.

Auch beruflich ging Mitzi Nahmer für ihre Zeit unkonventionelle Wege: gemeinsam mit ihrem Bruder Alfred betrieb sie eine KFZ-Werkstatt in Krems, die allerdings unter dem Namen des Bruders geführt wurde. Nach dessen Tod führte sie den Betrieb bis 1970 alleine weiter und war für ihr großes Fachwissen, aber auch für ihre resolute Art bekannt.  Ihrer Leidenschaft für starke Motorräder blieb sie bis ins hohe Alter treu. Mit schwarzem Ledermantel – und immer ohne Sturzhelm – war sie mit ihrer BMW-Beiwagenmaschine unterwegs und ist vielen Kremser*innen als „älteste Motorradfahrerin Österreichs“ bis heute ein Begriff.

Ob es die große Weltreise ist oder einfach die Möglichkeit, mit dem Motorrad über die Landstraße zu fahren – über den Grad der eigenen Mobilität selbst zu bestimmen, sich auf den Weg zu machen, erscheint uns heute so selbstverständlich, ja fast banal. Für die Frauen am Beginn des 20. Jahrhunderts hingegen war es ein großer Schritt, sich gegen alle gesellschaftlichen Widerstände durchzusetzen – und aufzubrechen.

Die Geschichten dieser beiden sowie vieler weiterer Frauen werden in der Ausstellung „Wo sind sie geblieben?
Die Frauen von Krems“ im museumkrems noch bis 1. November 2021 erzählt.

museumkrems
Körnermarkt 14
3500 Krems
www.museumkrems.at
täglich von 10.00 bis 18.00 Uhr, letzter Einlass: 17.00 Uhr

 

Text: Sabine Laz


Dieser Artikel ist ursprünglich im Schaufenster Kultur.Region erschienen.