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Museumsmanagement Niederösterreich, Foto: Katrin Vogg

Delikate Nachbarschaft der Dinge

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Daniel Spoerri im Hof des Ausstellungshaus Hadersdorf

Eine Parkanlage inmitten des Kreisverkehrs. Rundherum ein Ensemble mittelalterlicher Bürgerhäuser: Standesamt, Bäckerei, Keramikgeschäft, Fleischhauerei, Bank und Kirche. Zwei dieser historischen Häuser – in einem, so wird erzählt, befand sich Niederösterreichs erstes Stummfilmkino, das andere befand sich einmal in Klosterbesitz – bekamen vor einigen Jahren eine neue Bestimmung und haben seitdem Hadersdorf am Kamp auch bei internationalen Kunstfreunden zu einem Begriff gemacht.

Doch der Reihe nach…

Topographien des Zufalls

Jener Mann, der diese Häuser 2009 kaufte, wurde vor 90 Jahren in Rumänien geboren. Nach der Ermordung seines Vaters im Holocaust flüchtete Daniel Spoerri mit seiner Mutter und seinen fünf Geschwistern 1942 in die Schweiz, wo er unter anderem als Buchhändler und als Obstverkäufer arbeitete. Nach einer Tanz- und Pantomimeausbildung und einem Engagement als Solotänzer am Stadttheater Bern verschlug es Spoerri nach Paris, wo er Bekanntschaft mit Künstlern wie Yves Klein machte. Objektkunst faszinierte den leidenschaftlichen Sammler von alltäglichen Dingen und es entstanden seine ersten "Fallenbilder", in denen ein Stück Realität "in die Falle" geht und in Objekten bzw. Bildern für immer festgehalten wird. Konsequent führte Spoerri, der als Begründer der Eat Art gilt, in seiner darauffolgenden Zeit in Deutschland dieses Konzept weiter, indem er Reste von Mahlzeiten samt Geschirr konservierte und ausstellte. Seit 2007 lebt Spoerri in Wien, seit 2009 werden seine Kunstwerke und Skulpturen im Ausstellungshaus Spoerri in Hadersdorf gezeigt.

Dinge des Alltags

Ein Besuch des Ausstellungshauses Spoerri zaubert einem unmittelbar ein Lächeln ins Gesicht. Am Flohmarkt gefundenen Gegenständen gibt Spoerri eine neue Bedeutung, indem er sie sorgsam in dreidimensionale Bildkompositionen einbettet, fixiert und an die Wand hängt. Gehstöcke genauso wie Kochlöffel – einzelne unauffällige objets trouvés verlieren ihre ursprüngliche Funktion, erfahren aber in Nachbarschaft mit ihresgleichen ein unerwartetes neues Dasein. Manchmal mit Augenzwinkern, immer aber mit Umsicht und Feingefühl werden sie in den wunderbaren alten Räumen präsentiert und entfalten beim Betrachten und darin Vertiefen ihren Zauber. In der aktuellen Ausstellung "Daniel Spoerri und die Eat Art" agieren und reagieren sie mit Werken anderer Künstlerinnen und Künstler. So entstehen spannende Dialoge zwischen Spoerris Fallenbildern, Sonja Alhäusers Butterskulpturen oder Laura Nitsches malerischer Interpretation gefundener Einkaufszettel. Der Berliner Bildhauer Thomas Rentmeister hat eigens für das Hofgebäude des Ausstellungshauses eine neue Installation geschaffen.

Übrigens, im ehemaligen Kino von Hadersdorf kommt man heute auch wieder zusammen: Im "Esslokal", dem zweiten von Daniel Spoerri gekauften Haus, kann man sich von den Kochkünsten des Starkochs Roland Huber verwöhnen und einen Tag in Hadersdorf stimmig ausklingen lassen.

 

Ausstellungshaus Spoerri

Hauptplatz 23, 3493 Hadersdorf am Kamp
Bis Oktober: Freitag-Sonntag 11-17 Uhr
www.spoerri.at

Text: Karin Böhm

Dieser Artikel ist ursprünglich im Schaufenster Kultur.Region erschienen.