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Museumsmanagement Niederösterreich, Foto: Katrin Vogg

Raus aus dem Elfenbeinturm

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Sammlungsarbeit kann auch die Form von vielen kleinen Storys annehmen.

Grund zu feiern!

Wie ist es, ein Museum aus seinem Dornröschenschlaf zu erwecken? Martin Krickl vom Museum Lilienfeld steckt mitten in dieser wohl einzigartigen Erfahrung. Er erzählt von Sammlungspflege und Weiterbildung, von Ehrenamt und Motivation. Und immer klingt die große Freude durch, dass ein Museumstraum wahr wird.

Am Fluss der Zeit

Eine Ausbildung zum Kulturvermittler brachte mich vor sieben Jahren in das Museum Lilienfeld, das damals noch "Bezirksheimatmuseum" hieß. Schon während meiner ersten ehrenamtlichen Museumsdienste wurde mir das große Potential klar, das in diesem in die Jahre gekommenen Museum schlummerte wie die Geschichten zu innovativen Unternehmen der Region oder die Geschichte der Lösung Mathias Zdarskys für das sichere Befahren alpinen Geländes auf Skiern. So vieles birgt das Museum, das in dem alten gotischen Torturm an der Traisen räumlich klein wirkt, aber inhaltlich ganz groß ist!

Im "verflixten siebten Jahr" meiner Beziehung zum Museum begann sich eine lang gehegte Vision zu entfalten: Dieses Museum gänzlich neu aufzustellen, ihm ein neues Profil zu verleihen und vor allem seine Sammlungen für die Zukunft zu sichern. Doch mussten dafür die Bretter mit viel Ausdauer gebohrt werden. Ein wichtiger Meilenstein war, den Museumsverein von der Notwendigkeit von geplanten Investitionen in die Zukunft des Museums zu überzeugen, denn über die vergangenen Jahrzehnte war der Museumsbetrieb zu einer Verwaltung des Status Quo geworden. Die Vorstellung, dass alles auch anders sein könnte als bisher, war den meisten Beteiligten schlichtweg zu abstrakt. Zu solchen strategischen Entwicklungen müssen alle an der Hand genommen werden, sonst verläuft sich der Glaube an den Wandel. Was tun?

Mit Sammlungspflege in die Zukunft

Mein Ansatz war, mit etwas Konkretem zu beginnen, bei dem die Mitarbeitenden mitanpacken und womit sie sich identifizieren konnten. Mit jedem Gang durch die verwinkelten Räume des alten Turms erkannte ich immer mehr, dass eine neue Vermittlung der Museumsinhalte am besten über die Aufarbeitung der Sammlung gelänge. Allerdings war die Fülle der Sammlungen unübersichtlich geworden und vieles wartet nach wie vor darauf aufgearbeitet zu werden, wie etwa ein Konvolut an Dokumenten aus dem Nachlass von Mathias Zdarsky.

Ein Großteil der Sammlungen war zwar elektronisch erfasst worden, jedoch im (digitalen) Datenspeicher und in der (ganz realen) Tiefe der Vitrinenunterschränke unsichtbar geworden. Das Sammlungswissen war mit der Zeit löchrig geworden. Die Antwort darauf? Dank einer Förderung der Kulturabteilung des Landes Niederösterreich können wir nun die nachhaltige Sicherung der Sammlung erarbeiten. Unter dem Motto "Depotoffensive Museum Lilienfeld" leite ich ein Team von ehrenamtlichen Museumsfreund*innen. Gemeinsamt sichten wir die Bestände, reinigen und verbringen sie in Schutzverpackungen. Letztlich werden sie in neu adaptierten Depots langfristig verwahrt. So wollen wir eine bessere Objektverwahrung mit einer effizienten Ordnung erreichen und – wie nebenbei – unser Sammlungswissen auffrischen.

Die Koordination von freiwillig Mitarbeitenden mit unterschiedlichen Interessen und Fähigkeiten ist äußerst erfüllend, weil viel Resonanz entsteht. Zugleich ist es natürlich eine Herausforderung, den Einsatz aller effizient zu kanalisieren. Ich verwende da unter anderem eine einfache Form von Kanban, eine Methode aus dem agilen Projektmanagement, wodurch Abläufe fließen und möglichst keine Flaschenhälse den engen Zeitplan blockieren sollen.

Revolution des Sammlungswissens

Die erste Phase der Sammlungsversorgung muss im ersten Quartal 2024 abgeschlossen sein. – Ja muss, denn dann kommen die Schremmhämmer. Die Stadtgemeinde Lilienfeld ist als Eigentümerin des denkmalgeschützten Museumsgebäudes überzeugt, dass die beste Sicherung durch eine Nutzung für die Gemeinschaft gegeben ist und investiert deshalb in eine umfassende Sanierung. Für diese müssen jedoch alle Objekte – geordnet! – in Zwischendepots ausgelagert werden, was eine große logistische Herausforderung darstellt. Zugleich bietet sich die geradezu einmalige Chance, jedes Stück einzeln in die Hand zu nehmen und so das Sammlungswissen zu aktualisieren, wenn nicht gar zu revolutionieren.

Dabei ist der richtige Umgang mit den Objekten unerlässlich. Professionelle Restaurator*innen vermitteln im Zuge des Projekts ihr Wissen an das Team, die vielfältigen Fortbildungen des Museumsmanagements Niederösterreich nützen wir für Aufbau und Vertiefung relevanter Kenntnisse. Übrigens, diese ehrenamtliche Arbeit bringt auch viel Freude mit sich: Es ist immer wieder schön zu sehen, wie erstaunt die freiwillig Mitarbeitenden sind, welche Schätze es im Museum Lilienfeld als Kulturerbeinstitution der Region zu entdecken gibt. Das sorgt für Motivation, das wird weitererzählt – auch das gehört zur Museumsarbeit!

Das Museum ist kein (Elfenbein-)Turm

Für mich ist das Depotprojekt in Kombination mit der umfassenden Gebäudesanierung eine Grundlage für das Programm "Museum Lilienfeld neu", schließlich gibt es in der ganzen Region noch so viel zu entdecken, zu gestalten und auch einfach auszuprobieren. Diesen Wandel kommunizieren wir als Marke und wollen ihn auch weiterhin mit verschiedenen Outreach-Maßnahmen begleiten.

"Wir bleiben ein Regionalmuseum und freuen uns auf den intensiven Austausch mit der Bevölkerung und den Gemeinden der Region. Das Museum soll nicht nur eine Sache von ein paar wenigen sein in einem alten Turm. Ich lade die regionale Bevölkerung herzlich ein, mitzumachen und mitzugestalten! Die Harmonie von Generationen im und um das Museum ist vital für eine lebendige Museumsgemeinschaft."

Das alles klingt sehr schön, ist aber auch – wie für viele Vereine – eine harte Nuss. Ich hoffe sehr, dass mein Enthusiasmus weitere jüngere Interessent*innen ins Museum zieht, die, wie ich, erfüllende Zeit mit unseren Kulturgütern erleben und dabei persönliche Interessen und Fähigkeiten einsetzen und erweitern wollen. Seit Projektbeginn wächst die Gemeinschaft, es entwickeln sich Rituale, neue Bekanntschaften und Freundschaften.

Hier in Lilienfeld findet für mich zusammen, was zusammengehört: Mein Interesse an Kulturgeschichte, am kreativen Gestalten und die Lust am Experimentieren mit neuen und spielerischen Ansätzen passen gut zu zentralen Inhalten des Museums. Schließlich galten die industriellen Unternehmer und der Skipionier Mathias Zdarsky zu ihrer Zeit als höchst innovativ. Diese Freude an der Innovation bildet die verbindende Klammer und steht gleichsam als Motto über einem neuen Museum Lilienfeld. Die positiven Rückmeldungen bestärken mich darin, hier genau richtig zu sein und diesen Weg täglich motiviert fortzusetzen – gerne auch mit noch mehr ehrenamtlicher Unterstützung!

Neugierig geworden, wie es weitergeht? Folgen Sie dem Museum Lilienfeld auf instagram und bleiben Sie auf dem Laufenden!

Text: Mag. Martin Krickl