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Blaues Wunder

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Der blaue Kirchturm des Stifts Dürnstein mit Donau im Hintergrund

Der Kirchturm in Smalteblau

Lilablassblau, fliederduftblau, moorbeerenblau. Der Blick schweift von einer Tafel zur nächsten. Gletscherblau, tiefseeblau, sturmwolkenblau. Und weiter: Marmorblau, kosmosblau, göttlichblau. 304 an einer Wand montierte Farbtäfelchen legen Zeugnis von unterschiedlichsten Farbtönen ab. Zarte und kräftige Farben wechseln mit kalten und warmen Abstufungen, selbstbewusst strahlende mit zurückhaltenden.

"Welcher Farbton ist jener des Kirchturms?" fragt Elisabeth Glatzenberger bei einer Führung durch die neue Ausstellung im Stift Dürnstein. Ratlose Gesichter, bis sie die Auflösung selbst präsentiert und auf eine Tafel zeigt: "Smalteblau ist gepulvertes Kobaltglas, das ursprünglich für Keramiken verwendet, dann für die Malerei entdeckt und unter anderem im Barock für Himmelsdarstellungen eingesetzt wurde. Für den Turmanstrich wurde Smalteblau mit Bleiweiß und Leinöl gemischt und auf den Kalkputz aufgetragen."

Wie der Kirchturm zu seiner Farbe kam

Seit der Restaurierung in den 1980er-Jahren erstrahlt der Dürnsteiner Kirchturm wieder in Smalteblau, jener Farbe, die sie vor 300 Jahren ursprünglich erhalten hatte. 1410 von Augustiner-Chorherren gegründet, gelangte das Stift unter Propst Hieronymus Übelbacher (1710-1740) zu seiner Hochblüte. Er beauftragte zahlreiche Künstler mit dem Aus- und Umbau sowie der Barockisierung des Stifts, darunter die Baumeister Matthias Steinl und Joseph Munggenast, Bildhauer Johann Schmidt und dessen Sohn Martin Johann Schmidt, den "Kremser Schmidt". Dem Neubau legte Propst Hieronymus Übelbacher ein umfassendes "theologisches Programm" zugrunde, auch was die Farbgebung betraf. Während die Stiftsgebäude in Ocker und Grautönen gehalten wurden, die das Leben auf Erden und die Vergänglichkeit symbolisieren sollten, sollte das Smalteblau des Turms die symbolische Verbindung zu Gott im Himmel versinnbildlichen.

Gotische Madonna und biblisches Gastmahl

"Die spätgotische Madonna wird von einem goldenen Mantel umhüllt, dessen Innenseite Blau – Ultramarinblau – ist," zeigt Frau Glatzenberger auf eine Madonna aus Holz. Vormals an einem Seitenaltar der Stiftskirche untergebracht, hat die Madonna nun einen stolzen Platz in der neuen Ausstellung gefunden. "Neben Gold war Ultramarinblau früher die teuerste Farbe überhaupt. Ultramarin bedeutet eigentlich ‚jenseits der Meere‘: Der blaue Lapislazulistein, aus dessen Pulver Ultramarinblau hergestellt wurde, kam für Europäer von unglaublich weit her, etwa aus Chile, Sambia oder Afghanistan."

Blau als Farbe des Himmels kann beim Rundgang durch die Ausstellung auch im Deckengemälde des Festsaals erlebt werden: Die Darstellung des biblischen Gastmahls von Martin Johann Schmidt wird von einem eindrucksvollen blau-rosa Himmel gekrönt. Fast scheint es, als ob sich dieser Himmel durch die Fenster des Festsaals nach außen fortsetzen würde.

Die Entdeckung des Wertvollen

In der gotischen Säulenhalle, wo jahrelang die Oleanderstöcke überwinterten, befindet sich nun der Beginn der neuen Ausstellung "Die Entdeckung des Wertvollen". Nach siebenmonatigem, intensivem Umbau können sich Besucherinnen und Besucher unter dem Motto "das Gute tun, das Schöne bewahren, das Wahre suchen" auf Spurensuche durch das Stift Dürnstein – und zu sich selbst – begeben. Zu Beginn laden Bibeln in über 100 Sprachen zum Verweilen und Schmökern ein: von Hebräisch über Youruba bis zu Chinesisch, von Kinderbibeln bis zu einem Exemplar in Braille-Schrift.

"Teilen Sie mit uns das Schöne, das Sie in sich bewahren" heißt es nach Querung des Stiftshofs im zweiten Teil der Ausstellung. Gäste können hier ihre Gedanken und Wünsche zu Papier bringen, zusammenrollen und in die Wand stecken. In einer Nische erstrahlt die 1726 vom Wiener Goldschmied Johann Kaspar Holbein angefertigte Dürnsteiner Monstranz.

Unverhofft öffnet sich beim Rundgang auch ein Blick von der Empore in die Stiftskirche. Durch ein Fernrohr kann man Details des Altars erkennen, darunter den vergoldeten Holz-Tabernakel in Form eines Globus. Dieser frei drehbare Tabernakel stammt von Martin Johann Schmidt, der ihn mit 44 Szenen aus dem Leben Jesu geschmückt hat. Der Rundgang schließt mit dem Besuch der Stiftskirche.

Blaue Stunde

"Verschenke ehrliches Lob" steht auf dem Kärtchen, das ich zu Beginn der Ausstellung aus der Box "Gutes zum Mitnehmen" gezogen habe. Ja, das kann ich tun. Innerhalb der barocken Fülle des Stifts wurde die neue Ausstellung bewusst reduziert gestaltet: Wenige, aber repräsentative und wertvolle Objekte werden vor den Vorhang geholt und führen selbstbewusst durch die Ausstellung. Sie stellen ein starkes Pendant zu der barocken Pracht, die Besucherinnen und Besucher im Stift umgibt, dar. Einzig das Ausleihen eines Audioguides – oder noch besser die Buchung einer Führung – ist aufgrund der sehr zurückhaltenden Beschriftung zu empfehlen. Kinder erhalten ein fantasievoll und professionell gestaltetes Kinderheft, mit dem sie die Ausstellung erkunden können. Durch den Einbau eines Lifts soll ab Herbst auch ein barrierefreier Zugang zur Ausstellung möglich sein.

Bis September ist samstags bis 20 Uhr geöffnet. Ein Blick von der Terrasse des Stifts auf Kirchturm und Donau lohnt sich zu Beginn der "blauen Stunde" wohl ganz besonders.  

Text: Karin Böhm

Infobox

Stift Dürnstein, 3601 Stift Dürnstein 1
Bis 3. November: Montag bis Samstag von 9.00 bis 18.00 Uhr (im September samstags bis 20.00 Uhr), Sonn- & Feiertag von 10.00 bis 18.00 Uhr
Führung inklusive Kreuzgang um 14.00 Uhr (September zusätzlich um 11.00 Uhr)
www.stift-duernstein.at