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300 Jahre Kremser Schmidt

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Gemälde von Martin Johann Schmidt (genannt "Kremser Schmidt"), Immaculata 1762, Pfarre Waidhofen/Ybbs

Martin Johann Schmidt, Immaculata 1762, Pfarre Waidhofen/Ybbs

HELLDUNKEL

Anlässlich des 300. Geburtstags des bedeutenden Barockmalers Martin Johann Schmidt zeigen die Stifte
Altenburg, Seitenstetten und Zwettl, das Diözesanmuseum St. Pölten sowie das museumkrems seine Werke.

Die Kirche ist dämmrig. Sonnenstrahlen streifen den Raum, das Ewige Licht flackert. Eine Szenerie zieht den Blick an sich. Es sind die aus dem Dunkeln tretenden Gestalten – in der Gestik deutlich, das Zweifeln, das Hoffen, die Stärke, die Versuchung. Der „Kremser Schmidt“ hat in seinem OEuvre, das insgesamt an die 2.000 großformatige Ölbilder umfasst, wie kein anderer unsere Vorstellung biblischer Szenen geprägt. Dazu kommt ein großes zeichnerisches und druckgrafisches Lebenswerk.


Martin Johann Schmidt wurde am 25. September 1718 in Grafenwörth als Sohn des Bildhauers Johannes Schmidt geboren. Seine Ausbildung erhielt er beim nur lokale Bedeutung genießenden Maler Johann Gottlieb Starmayr, fand aber unter dem Einfluss von in Niederösterreich tätigen Künstlern wie Paul Troger, Martino Altomonte Johann Georg Bergmüller bald zu seinem Stil. Seinen ersten Auswärtsauftrag, wahrscheinlich über die Vermittlung des Dürnsteiner Chorherrenstiftes, erhält er 1753 im Augustiner-Chorherrenstift St. Pölten, ein weiteres Altarbild aus diesem Jahr findet sich in einem Seitenaltar der Pfarrkirche Pöchlarn.


Andacht und Altarbild

Martin Johann Schmidt wird zum Meister des „Chiaroscuro“, der Helldunkelmalerei, eines in der Spätrenaissance und im Barock entwickelten Malstils, der durch den Einsatz starker Kontraste zwischen Hell und Dunkel maximale Dramatik in das Ölgemälde bringt. Aufträge von Klöstern, Stiften und Pfarren folgen. Schmidts Hauptschaffenszeit reicht bis in die späten 1770er-Jahre. Ob große Altarbilder oder das kleine Andachtsbild, er entwickelt fast durchgehend einen sehr persönlichen Pinselstrich. Wird er in der Spätzeit in eine fast abstrakte Farbigkeit wechseln, so kehrt „Kremser Schmidt“ immer wieder in ein intensiveres Helldunkel, gekennzeichnet durch seine charakteristische Rottönung, zurück.


Aktuelle Ausstellungen

Das größte Werk des Barockmalers findet sich im Stift Seitenstetten. 100 Werke werden in der aktuellen Ausstellung zu sehen sein, die „Kreuzigung“ entstand 1800, wenige Monate vor seinem Tod am 28. Juni 1801. Das Sommerrefektorium und der Maturasaal, ansonsten der Öffentlichkeit nicht zugänglich, sind dazu fürs Publikum geöffnet. Zyklen – wie diese von Seitenstetten – bringen seine erzählerische Begabung zum Ausdruck. Der Kunsthistoriker Rupert Feuchtmüller: „Erzählerische Vorgaben, die sich nach Vorbildern zu orientieren hatten, lagen ihm weniger. Ging es aber um phantasievolle Vorgänge, dann war Schmidt in seinem Element.“

Im Stift Altenburg sind in der Ausstellung „Die Letzten ihrer Art“ zwei Künstler gegenübergestellt. Der eine, Martin Johann Schmidt, wird mitunter als letzter großer
Maler seiner Zeit gesehen. Sein Tod 1801 gilt als spätes Ende der großen Ära des Barocks. Und doch reichen seine Einflüsse noch weit in die nächste Künstlergeneration hinein. Der andere, Wolfram Köberl (Jahrgang 1927), schuf in großer Virtuosität zahllose barock gestimmte Fresken in Kirchen und Klöstern Tirols und Süddeutschlands. 

Im Diözesanmuseum St. Pölten wird anhand signifikanter Werke das umfangreiche Schaffen Martin Johann Schmidts vorgestellt und dessen Bedeutung unter Einbeziehung thematischer, stilistischer und technologischer Aspekte im Kontext der Kunst des 18. Jahrhunderts erläutert.
 

„Kremser Schmidt“, in Stein zuhause

Im Gegensatz zu den Wanderkünstlern des Barocks blieb Schmidt seinem Wohnort Stein, wo er sich auch in der Gemeinde engagierte, treu. In seinem Haus in der Steiner Landstraße Nr. 122 hatte er ein kleines und ein großes Malzimmer. Die großformatigen Gemälde wurden durch einen Schlitz im Boden in das Untergeschoß hinuntergelassen. Denn Schmidt malte zuhause und in den seltensten Fällen vor Ort. Per Schiff oder Wagen wurden die Bilder angeliefert. Sein Haus war ein gesellschaftlich-bürgerlicher Treffpunkt. Sogar Kaiser Joseph II. persönlich besuchte den geachteten Künstler.

Kunst und Polititk

Der Barockmaler aus Niederösterreich durchlebte beinahe ein ganzes Jahrhundert, eine Zeit mit fünf habsburgischen Kaisern. Porträtiert sind die Herrscher vom „Kremser Schmidt“ im Rathaussaal von Retz.

Das 18. Jahrhundert ist eine Zeit im Umbruch: Türkenkriege, Erbfolgekriege, der Siebenjährige Krieg und die sich anbahnende Revolution sowie die beginnenden napoleonischen Kriege. Es ist ein Kontrast zu der in sich ruhenden Welt des Barocks und des Andachtsbildes im Speziellen. Rupert Feuchtmüller: „Die politische Religiosität, die in die Kaiserzimmer und festlichen Säle der Stifte nach 1683 Eingang gefunden hatte, war nicht mehr aktuell. Doch sollte man von keiner konservativen Isolation der religiösen Kunst sprechen, sondern eher von ihrem Loslösen von Politik und Zeitgeist ...“. 

Text: Mella Waldstein