DE
Museumsmanagement Niederösterreich, Foto: Katrin Vogg

Heikles Erbe – vom Umgang mit sensiblen Objekten

Alle ArtikelMuseumsarbeitAusstellungen und Veranstaltungen

Kennen Sie diesen Moment, wenn man am Dachboden oder Keller in Erwartung, kleine Schätze aus der Vergangenheit (oder vielleicht auch einfach nur eine Glühbirne) zu finden, ein altes Schächtelchen der Großeltern öffnet und einem etwas Unerwartetes entgegenpurzelt? Mag es ein unscheinbarer Anstecker sein, ein hübscher Teller, ein Schmuckstück, eine Münze oder auch ein Dokument, wo man sich bei genauerer Ansicht auf einmal denkt … Oha! Das Detail kommt mir doch bekannt vor!

Was mache ich denn jetzt bloß damit?

Ist Finden immer Glück?

Manchmal sind es angestaubte Bücher in den Regalen der gerade verblichenen Tante, die im Inneren Propagandamaterial offenbaren oder alte Fotoalben, in denen der Onkel die Bilder der Straßen voller Banner immer überblättert hat. Das Mutterkreuz, das einem von einem Familienmitglied stolz überreicht wird. In Zeitungspapier eingewickelte Waffen als Kriegsrelikte oder feinsäuberlich zusammengelegte Fahnen, im hintersten Eck des Dachbodens versteckt in dem Haus, das Sie geradeeben gekauft haben.

Es müssen nicht immer nur Objekte mit Kriegsbezug sein: vielleicht lag in Großmutters Schmuckschatulle ja ein Stück echte Koralle, womöglich stand im Regal eine Figur aus Elfenbein – oder was ist mit der Lampe, überzogen mit Raubtierfell, die immer neben dem Lesesessel stand, und mit dem Paar Robbenfellstiefel der Großtante? So manches, was unsere Vorfahren mit Begeisterung und Ehrfurcht aufbewahrt haben, wird für uns zum schweren Erbe. Was bei einigen pures Erstaunen auslösen mag, bedeutet für andere eine Stresssituation, oft begleitet von Schamgefühl und Ärger.

Viele wollen nicht mit materiellem Erbe der NS-Zeit oder mit Waffen im eigenen Haushalt leben. Auch mag die Raubtierfelllampe nicht so recht zur Einrichtung passen. Die Frage „Was mache ich denn jetzt bloß damit?“ ist durchaus gerechtfertigt, schließlich kann man sich in Österreich nicht nur durch Handel, sondern auch schon durch den Besitz einzelner Objekte strafbar machen. Bei Verkauf am Schwarzmarkt drohen nach dem Verbotsgesetz und Artenschutz-Übereinkommen hohe Strafen. Da hat man es leichter, wenn Opa nur Briefmarken oder Krickerl gesammelt hat.

Und, was tun wir nun mit den Dingen?

Natürlich kann man sich dazu entschließen, sie einfach zu behalten. Gebrauchsgegenstände wie Geschirr und Besteck mit historischen Aufdrucken oder aus Materialien, deren Ankauf heute verboten wäre, einfach verwenden – auch um der Nachhaltigkeit willen, sofern man das mit sich selbst vereinbaren kann. Fotoalben, Bücher, Schmuckstücke oder Dokumente weiterhin aufbewahren, um auch den nächsten Generationen Einblicke in die persönliche Familiengeschichte zu ermöglichen.

Und wie ist das mit dem Verkauf? Im österreichischen Abzeichengesetz ist geregelt, dass „Abzeichen, Uniformen und Uniformteile einer in Österreich verbotenen Organisation weder öffentlich getragen noch zur Schau gestellt, dargestellt oder verbreitet werden“ dürfen. Der Verkauf zählt als Verbreitung. In Österreich legen zudem das Verbotsgesetz, Uniform-Verbotsgesetz und das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen den Umgang mit materiellem Erbe der NS-Zeit fest. Auch Museen kaufen keine Waren an, die nach österreichischem Recht nicht gehandelt werden dürfen.

Seit dem Jahr 1975 regelt des Washingtoner Artenschutz-Übereinkommen den internationalen Handel zum Schutz bestimmter gefährdeter Arten freilaufender Tiere und Pflanzen. In der EU sowie einzelnen Mitgliedsstaaten gelten teils sogar noch strengere Regeln. Der kommerzielle Handel mit Objekten aus Elefanten-Elfenbein ohne antiquarische Bescheinigung ist seit 2022 grundsätzlich verboten. Tierfelle von geschützten Arten sind ebenfalls per Gesetz vom Handel ausgenommen – auch, wenn sie nur Teil von Möbelstücken sind, die verkauft werden sollen.

Wenn Behalten und Verkaufen außer Frage stehen

Einige österreichische Museen nehmen sich dieses herausfordernden Themas an und versuchen, mit ihren Projekten für das Thema zu sensibilisieren und zu informieren, welche legalen Wege bei solchen Funden offenstehen. Für viel Aufsehen sorgte etwa das Haus der Geschichte Österreichs in Wien mit seiner Ausstellung zum Thema „Hitler entsorgen“, die heuer in Innsbruck zu sehen ist. Das „Büro für schweres Erbe“ im Stadtmuseum Dornbirn bietet der Bevölkerung an, belastende Stücke bei Ihnen abzugeben, auch die Ötztaler Museen gingen mit dem Sammlungsaufruf „Wohin mit dem Nazi-Zeug?“ an die Öffentlichkeit.

Die Ausstellungsprojekte entstehen zumeist, weil sich die Museen mit zunehmenden Anfragen zur Objektübernahme konfrontiert sehen. Eine großartige Idee, werden Sie sich nun wahrscheinlich denken, Museen sollen ja unser kulturelles Erbe erhalten! Das stimmt natürlich. Aber genauso wie ihr eigener Keller nur eine begrenzte Anzahl an Quadratmetern hat, so sind auch Museumsdepots endlich. Museen müssen sich sehr genau damit beschäftigen, welche Objekte sie dauerhaft in ihre Sammlung aufnehmen und welche nicht.

Bei den meisten Museen sind Sammlungsprinzipien im Sammlungskonzept niedergeschrieben. Ein zeitgeschichtliches Museum wird sich NS-Erbe am ehesten annehmen. Bei der Raubtierfelllampe oder den Robbenfellstiefeln ist es eher unwahrscheinlich, dass ein Museum daran Interesse hegt – solche Gegenstände passen selten in ein Sammlungskonzept, außer natürlich, sie sind mit einer ganz besonderen Geschichte verbunden.

Für Museen ist es besonders wichtig, dass ihre Sammlungen nicht nur viel Geschichte, sondern auch viele Geschichten erzählen. Wenn Sie also in Omas Fotoalbum die abgebildeten Personen und Orte zuordnen können, ist das für ihr regionales Museum von Bedeutung. Abzeichen und andere Schmuckstücke wurden oft als Massenware produziert, dementsprechend haben viele Museen bereits einige in ihrer Sammlung. Manche davon können von einer spektakulären Flucht oder bewegenden Familiengeschichte, die man auch mit Fotos vertiefen kann, erzählen. Wenn Sie zu ihrem Objekt gar nichts wissen, wird es für ein Museum vermutlich nicht so interessant sein.

Dinge entsorgen

Es gibt noch einen weiteren legitimen Weg, mit heiklen Objekten umzugehen, die man nicht behalten möchte: die Zerstörung. Hier muss man nur bedenken, dass es bei der Entsorgung einzelner Objekte im Hausmüll passieren kann, dass diese am Weg zur Müllpresse von anderen Personen aus den Mülleimern gefischt werden und so entweder den Weg in private Sammlungen oder auf den Schwarzmarkt finden. Will man das kategorisch vermeiden, muss man selbst Hand anlegen: Metallobjekte können abgeschliffen, Schriften geschreddert und Porzellan zerschlagen werden.

In Schenkungsverträgen schreiben Museen bisweilen fest, dass Objekte, die nicht in die Sammlung aufgenommen werden, vom Museum an andere wissenschaftliche Institutionen weitergegeben oder sogar vernichtet werden dürfen. So ist sichergestellt, dass fragwürdige Objekte keinesfalls mehr in Umlauf kommen. Auch einige Entrümpelungsfirmen und Altwarenhändler arbeiten so: bei der an die Caritas angeschlossenen Carla werden die aus dem Verkehr gezogenen Objekte so vernichtet, dass nichts davon mehr nachnutzbar ist. So hat man dann wirklich alle Sorgen ent-sorgt.

Text: Mag.a Patricia Mayer

 

Dieser Artikel ist im Schaufenster 01/2024 der Kultur.Region.Niederösterreich erschienen:

Dem Thema "Kontext, bitte! Heikle Objekte und Themen sammeln und vermitteln." widmet sich der 27. Niederösterreichische Museumstag am 17. März 2024 in der Tischlerei Melk Kulturwerkstatt in Kooperation mit MERKwürdig. Zeithistorisches Zentrum Melk und Mauthausen Memorial / KZ-Gedenkstätte.

In den Keynotes und Blitzlichtern werden praxisnahe Lösungen für die tägliche Museumsarbeit geboten. Am Nachmittag stehen thematisch passende Rundgänge sowie Einzel- und Gruppenberatungen zu sensiblen Themen am Programm.

Einladung, Programm und Anmeldung