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Museumsmanagement Niederösterreich, Foto: Katrin Vogg

Habaner Keramik: Geschichte kennt keine Grenzen

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Teller mit Palmettenmotiven und Architekturdarstellungen, Anfang 18. Jahrhundert, aus niederösterreichischer Werkstatt. Auf der Rückseite befindet sich ein Aufkleber mit der Inschrift „St. Johann a. d. March Haban“

Die Sammlung Habaner Keramik im Stadtmuseum "Alte Hofmühle"

Das Stadtmuseum „Alte Hofmühle“ in Hollabrunn verfügt über einen Bestand von rund 70 Habaner Fayencen, der ab 2002 in einem grenzüberschreitenden Projekt durch den Museumsverein und Expertinnen und Experten aus dem mährisch-slowakischen Grenzraum genauer unter die Lupe genommen wurde. Mit der Saisoneröffnung 2002 wurde die Sammlung zunächst als Dauerausstellung neu konzipiert und so der Öffentlichkeit dauerhaft zugänglich gemacht.[1]

In den darauffolgenden Jahren erfolgten tiefergreifendere Bearbeitung, die im Erscheinen der wissenschaftlichen Publikation „Täufer, Hutterer, Habaner. Geschichte, Siedlungen, Keramik in Südmähren, Westslowakei und Niederösterreich“[2] mündete. Die Beiträge unterschiedlicher Expertinnen und Experten setzten sich weiterführend nicht nur mit den Museumsobjekten selbst, sondern auch mit der Volksgruppe der Habaner (bzw. Täufer / Hutterer) auseinander. So konnte die Geschichte der Hollabrunner Keramikproduktion sowie deren Beziehungen zum mährischen respektive slowakischen Umfeld erstmals umfassend beleuchtet werden. Als Fayencen versteht man eine Untergruppe von Keramiken aus porösem Material, wie beispielsweise Ton. Diese zeigen meist eine weiße Grundierung, die eine blaue oder vierfarbige Gestaltung erhielt.

Wie die rund 70 Fayencen ins Stadtmuseum kamen

Die Ursprünge des Sammlungsbestandes liegen wie so oft in der privaten Sammelleidenschaft eines lokalen Liebhabers begründet. Dieser Sammler war der Schuldirektor Ludwig Mattula aus Unterretzbach, der seine Sammlung urgeschichtlicher Bodenfunde und volkskundlicher Objekte aufgrund seines altersbedingten Gesundheitszustandes dem Stadtmuseum in Hollabrunn zum Kauf anbot. Dies spielte sich um das Jahr 1905 ab, die erste größere Präsentation der Sammlung Mattula erfolgte schließlich 1928.[1] Im Auftrag Mattulas wurden gezielt Kopien ausgewählter Keramiken in Beständen ausländischer Museen angefertigt, um in der Summe eine repräsentative Schau der Kunstfertigkeit der Habaner zu erhalten. Darunter befinden sich beispielsweise Stücke des Museums für Angewandte Kunst in Budapest (Iparművészeti Múzeum), die bis ins 17. Jahrhundert zurückreichen. Außerdem enthält die Sammlung historische Originale, die entweder in Hollabrunn bzw. Niederösterreich entstanden oder selbst aus Südmähren stammen. Die heutige Präsentation basiert auf Recherchen durch Brigitte Fassbinder-Brückler, die sich ausführlich mit den einzelnen Objekten auseinandersetzte.

Habaner Keramik als grenzüberschreitendes “role model“

Nun stehen die Habaner Fayencen wieder als Schlüsselobjekte im Fokus eines grenzüberschreitenden Projekts. Da dieser Sammlungsbestand einen direkten Vergleich der handwerklichen Erzeugung in der Slowakei und in Niederösterreich zulässt, wurden die 76 Fayencen im Rahmen des Interreg-Projekts Heritage SK-AT digital erfasst und 59 der Stücke können nun im Online-Katalog betrachtet werden. Sie stehen somit einem breiteren Publikum für Recherchen zur Verfügung.

Die Bezeichnung ‘Habaner’ benennt eine Gruppe der protestantischen Hutterer, die aufgrund der wachsenden Verfolgungen im Zuge der Gegenreformation zunehmend in die benachbarte Slowakei auswanderte. Später behielten die inzwischen katholisierten Habaner der Slowakei diesen Namen als Zeichen ihrer Herkunft bei. Die dort heute noch hergestellten Habaner Keramiken zeigen die gleichen Muster sowie gleiche Farbenverwendung und Ornamentik wie jene des 17., 18. oder 19. Jahrhunderts.[1] Hier ist im Rahmen der handwerklichen Erzeugung ein noch immer blühendes Beispiel erbracht, dass Kulturtechniken keine Rücksicht auf heutige Landesgrenzen nehmen. Die Identifizierung einer Volksgruppe geht vielmehr auf deren eigene Geschichte zurück, innerhalb welcher die handelnden Individuen eine viel größere Rolle spielen als die übergeordneten politischen Verhältnisse. Gerade grenzüberschreitende EU-Projekte und historische Sammlungsbestände einzelner Regionen zeigen, dass für die Bewahrung historischer Handwerkstechniken auch deren Ausübung in der Gegenwart ausschlaggebend ist. Denn durch die gezeigte Geschichte und die gleichzeitige Neuinterpretation alter Techniken und Muster bleibt das Wissen nicht nur auf einer theoretischen Basis erhalten, sondern das praktische Wissen über die Herstellung muss durch die auf uns folgenden Generationen nicht neu interpretiert, sondern lediglich erlernt werden.

 

Info

Das Stadtmuseum „Alte Hofmühle“ Hollabrunn befindet sich aktuell im Umbau und wird voraussichtlich im September 2020 wiedereröffnet.

Hier kann der Online-Katalog mit allen Objekten durchgeblättert werden

Alle niederösterreichischen Museen und Sammlungen, die Interesse an einer Beteiligung haben, finden hier Informationen zur Nutzung des digitalen Inventarisierungsportals DIP.

 

Text: Nina Harm


[1] Miszellen, Museumsverein „Alte Hofmühle“, 100. Jahrgang, Ausgabe 2003, Dezember 2002, S. 2.

[2] Im Museum sind noch Restbestände der Publikation vorhanden und können vor Ort erworben werden. Alena Kalinová / Brigitte Faßbinder-Brückler / Theodor Brückler, Täufer - Hutterer - Habaner. Geschichte, Siedlungen, Keramik in Südmähren, Westslowakei und Niederösterreich, Forschungen aus dem Stadtmuseum "Alte Hofmühle" Hollabrunn: Sonderband, Wien / Horn 2004.

[3] Recherchen des Museumsmitarbeiters Friedrich Ecker.

[4]https://www.gedaechtnisdeslandes.at/kunst/action/show/controller/Kunst/werk/habaner-keramik.html