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Museumsmanagement Niederösterreich, Foto: Katrin Vogg

24 historische Türblätter erzählen

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Alltag ausstellen im Bauernhofmuseum Gföhleramt

Nach einer kurzen Fahrt durch die Wälder um Gföhl erreicht man das ehemalige Gehöft und heutige Bauernhofmuseum in Gföhleramt. In diesem ehrenamtlich geführten Bauernhofmuseum befindet sich eine Sammlung, die auf der zwanzigjährigen Sammeltätigkeit des inzwischen verstorbenen Gründers ÖkR. Prof. Franz Fux basiert. Sie setzt sich aus unterschiedlichen Bereichen zusammen, die in ihrer Summe die Geschichte Gföhleramts widerspiegeln: Von Gerätschaften für die Flachsverarbeitung und Leinenweberei über bäuerliches Arbeitsgerät bis hin zum Inventar der 1875 abgerissenen und durch Herrn Fux wiederaufgebauten Kapelle. Der Besucher kann außerdem Objekte aus allen Lebensbereichen bäuerlicher Arbeits- und Alltagskultur bewundern, die in den historischen Gemäuern wie in einem Haushalt aus vergangenen Zeiten arrangiert wurden. Aber auch eine Sammlung von historischen Türblättern wird hier aufbewahrt. Solche handwerklichen Erzeugnisse, die selten gesammelt und bei Abrissen bzw. Modernisierungen von Gebäuden üblicherweise entsorgt werden, verschwinden meist zusammen mit anderen nicht baufesten Ausstattungsstücken und sind somit für die Nachwelt immer schwieriger greifbar. Durch die Sammlung dieser Türblätter konnte ein kultureller Schatz geschaffen werden, der vieles über die ehemaligen Besitzer und deren Umfeld preisgeben kann.

Was uns historische Türblätter erzählen können

Türblätter wurden bereits früh ornamental, ungeachtet ob nun geometrisch oder floral, gestaltet. Sie sind sozusagen das Aushängeschild eines jeden Haushaltes, jeder Besucher steht zuerst vor zumindest einer Tür, bevor er ein Haus betreten kann. Auch die ca. 20 Türen im Bauernhofmuseum zeigen eine Vielfalt an unterschiedlichen Gestaltungen, die weniger auf symbolischen Grundlagen basieren, sondern vielmehr im Kontext handwerklicher Möglichkeiten und regionaler Moden zu betrachten sind. Meist sind die Türen auf der Vorderseite (zur Straße) in Felder aufgeteilt oder erhielten andere gestalterische Elemente, sind aber auf der Innenseite schlicht und ungestaltet, zeigen also im Innenraum eine wenig repräsentative Gestaltung. Die Sammlung im Bauernhofmuseum Gföhleramt enthält vor allem Beispiele der zweiten Hälfte des 19 Jahrhunderts, die vermutlich geschlossen aus dem ländlichen Raum stammen. Es sind Hauseingangstüren, Keller- bzw. Weinkeller- oder Presshaustüren und Innentüren von Wohnhäusern.

Herausragende Beispiele von Türblättern vernakulärer Architektur

Unter „vernakulär“ versteht man jenen Bereich der Architektur, der vor allem in Bezug auf den ländlichen Raum eine Anwendung findet, wobei diese Bauten zumeist von anonymen Akteuren, also ohne namhafte Architekten, Planer oder Bauherren, entstanden sind. Im Grunde umschriebt der Begriff neben der Architektur von Hof und Scheune auch handwerkliche Erzeugnisse, die sich historisch an einem Ort herausbildeten, also gewachsen sind und sich dabei ohne gezielte Einflussnahme von externen Experten entwickelten. Weshalb gerade solcherart Erzeugnisse viel über beispielsweise die klimatischen, kulturellen oder gesellschaftlichen Umstände ihres Entstehungsortes oder des historischen Umfeldes erzählen können.

Löwe und Putto mit Flügeln

So verhält es sich auch mit dem Türblatt der Inventarnummer 524 (Abb. 1). Wir sehen hier eine zweiflügelige Hauseingangstür, die heute zwar eine nicht originale Farbfassung zeigt, aber durch ihr Äußeres, trotz fehlender Provenienz viel über ihren Entstehungskontext preisgibt. Stilistisch ist sie in die zweite Hälfte des 19 Jahrhunderts zu datieren. Die verwendeten Formen deuten bereits in die Zeit des Historismus, was beispielsweise an der Aufteilung in nicht gleich proportionierte Bereiche zu erkennen ist. Aber auch am oberen Abschluss, der mit zwei profilierten Dreiecken, ähnlich eines doppelten Hausgiebels, gestaltet ist. Dieser ist unten mit einem Zahnschnitt abgeschlossen, was bereits mit dem im späten 19. Jahrhundert weit verbreiteten Zitieren antiker Formen des Tempelbaus verwandt ist. Außerdem ist im Zentrum der beiden hochrechteckigen Felder jeweils ein appliziertes Relief zu sehen. Diese zeigen einen Löwen und ein Putto mit Flügeln, der den Löwen zu führen scheint, was ebenfalls eine Entlehnung antiker Motive darstellt. Diese Reliefs sind gegossen, ihrem Erscheinungsbild nach könnten sie ein Produkt der böhmischen und im Donauraum verbreiteten Eisengusskunst sein. Seit Beginn des Eisenbahnbaus und den damit verbundenen technischen Innovationen um die Mitte des 19. Jahrhunderts verbreitete sich dieses damit in Verbindung stehende Handwerk des böhmischen kunstvoll interpretierten Eisengusses schnell. Auch die rosettenähnlich gestalteten Beschläge zeigen eine künstlerische Umgangsweise mit dem verwendeten Material, das ebenfalls aus einer Eisengusswerkstatt zu stammen scheint. Diese zweiflügelige Tür hat außerdem einen repräsentativen Charakter, was eigentlich auf einen Herkunftsort im eng bebauten städtischen Bereich deuten lässt, aber auch bei größeren Höfen wurden solche Beispiele gefunden. Dieses und noch weitere Beispiele verdeutlichen nicht nur die Sammelleidenschaft des Museumsgründers, sondern auch die kulturelle Wichtigkeit eines Hauseinganges: Er ist das Erste, was ein Besucher/eine Besucherin sieht, er ist das Aushängeschild des Haushaltes.

Türblatt mit Geigenkastenmotiv

Nehmen wir ein weiteres Türblatt als Beispiel: Hier ein Exemplar, das vermutlich um die Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden ist. Es zeigt einerseits biedermeierliche Züge, weist stilistisch aber bereits in die zweite Hälfte des Jahrhunderts. Einerseits zeigt das querrechteckige Feld unten eine Umrandung im Geigenkastenmotiv, das eine typisch biedermeierliche Form der Mitte des 19. Jahrhunderts ist. Dennoch zeigen die hochreckteckigen Felder im Zentrum bereits ein Motiv aus Rundbögen, das in dieser Verwendung dem Historismus zuzuordnen ist. Diese Tür entstand also vermutlich in der Zeit des Umbruchs zum Historismus nach 1850/60. Ganz widersprüchliche Informationen erhalten wir aber bei dem Versuch, den Knauf im Zentrum einzuordnen. Dieser wirkt zu groß proportioniert für den schmalen Steg in der Mitte des Türblattes und hat im Vergleich zur Türklinke eine fast plumpe Form. Ein Quadrat auf einem Kreis, mehr nicht. Diese Art von Metallwaren sind in Katalogen des frühen Jugendstils (ca. 1905) zu finden, hier könnte es sich also um eine Zutat späterer Zeit handeln.[1] Ein geschultes Auge kann so viele Details aus dem reinen Erscheinungsbild eines Türblattes ziehen, wären über diese Stücke noch weitere Informationen bekannt, könnten ganze Geschichten geschrieben werden, die es uns ermöglichen würden, auch der Geschichte eines Bauwerkes näher zu kommen.

Diese beiden schnell besprochenen Beispiele verdeutlichen gut, wie viel man aus einzelnen stilistischen oder technischen Details herauslesen kann und wie wichtig es ist, dass wir auch scheinbar Belangloses für die Nachwelt bewahren. Ein historisches Türblatt kann beispielsweise im Fall eine Hausabrisses alles sein, was vom Gebäude und den Eigentümern bleibt. So sollten wir doch ein wenig das eigene Auge schärfen, wenn in unseren eigenen Nachbarschaften solche schönen Stücke, wie wir sie im Bauernhofmuseum Gföhleramt vorfinden, noch vorhanden sind oder achtlos in der Mulde verschwinden. Im DIPkatalog finden Sie neben der Türblattsammlung aus dem Bauernmuseum Gföhleramt auch noch weitere spannendene Objektegruppen, die von der Vergangenheit Niederösterreichs erzählen. Geschichte steht nicht nur in Büchern, wir können, was bleibt, aktiv mitgestalten und unser materielles Kulturerbe auch in real aufbewahren, damit die nach uns kommenden Generationen auch etwas davon haben bzw. daraus lernen können.

Text: Nina Harm

Info:

Hier kann der Online-Katalog mit allen Objekten durchgeblättert werden

Alle niederösterreichischen Museen und Sammlungen, die Interesse an einer Beteiligung haben, finden hier Informationen zur Nutzung des digitalen Inventarisierungsportals DIP.

 


[1] Die vielen historischen Details zu den Türblättern sind der persönlichen Auskunft des Bauforschers Mag. Robert Kuttig (www.bauwerksanalyse.at) zu verdanken.