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Museumsmanagement on Tour: Museums as Agents of Memory and Change

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Im Rahmen des Studienprogramms Erasmus+ bildet sich auch das Museumsmanagement Niederösterreich laufend weiter. Die Teilnahme an internationalen Tagungen hilft den Mitarbeiterinnen, aktuelle Themen aufzugreifen und sich mit Kolleginnen und Kollegen aus der ganzen Welt auszutauschen.

Von 24. bis 26. April 2019 durfte ich in Estland an der Tagung „Museums as Agents of Memory and Change“ teilnehmen, die von der Universität Tartu und dem Estonischen Nationalmuseum organisiert wurde. Sie gab die Möglichkeit, sich gleich an zwei außergewöhnlichen Austragungsorten mit internationalen Museumsfachleuten und ihren Fragestellungen auseinanderzusetzen: dem Maarjamäe History Center in Tallinn mit seinem Museum zur Estonischen Geschichte sowie dem Filmmuseum und dem Estonischen Nationalmuseum in Tartu.

 

„Wie gehe ich in meinem Museum mit Geschichte um?“


– das war das zentrale Thema der Tagung. Nicht nur der Umgang mit der Geschichte des Landes oder der Region, sondern auch der Umgang mit der Geschichte einzelner Objekte ist damit gemeint.

Wie objektiv kann und soll ein Museum mit kritischen Fragestellungen und einer bewegten Geschichte der eigenen Region umgehen? Welche Themengebiete sollen ausgelassen werden, welche hervorgehoben? Wie vermittelt man Themen wie Krieg und Gewalt in der eigenen Geschichte? Was für Fragen dürfen Museen stellen? Wie kritisch können und sollen sie auftreten? Diese Fragestellungen und mehr wurden von Kolleginnen und Kollegen aus den unterschiedlichsten Betrieben und Blickwinkeln beleuchtet.

Komparative Studien über Besucherreaktionen im Casa de la Memoria in Guatemala und im Museum of Crimes Against Humanity and Genocide in Sarajevo, Bosnien wurden ebenso präsentiert wie das spannende Projekt „Anne × Ama – Girls Under Fire in WWII”, eine Kooperation zwischen dem Anne Frank Haus in Amsterdam und dem Ama Museum im taiwanesischen Taipei, das sich um die sogenannten „comfort women“ des zweiten Weltkriegs dreht.

 

Was hat mich noch begeistert?


Wie das Polin Museum of the History of Polish Jews in Warschau mit der politischen Situation des Landes, die sich im Umgang der Politiker, aber auch der lokalen Bevölkerung mit dem Museum zeigt, umgeht.

Dass das Helgeland Museum erstmals sehr selbstkritische Worte für die regionale Geschichte fand, aber niemanden aus der lokalen Bevölkerung direkt verurteilen wollte und deshalb auf Comicfiguren zurückgriff. So kann Fiktion helfen, unangenehme Wahrheiten anzusprechen. Ein spannender Ansatz.

Die Konzeption der Ausstellungen „Rum, Sweat and Tears“ im Schifffahrtsmuseum Flensburg, die versuchte, den Flensburgern die afro-karibische Sichtweise über den lokalen Zucker- und Rumhandel näherzubringen. Die jamaikanische Gastkuratorin Dr. Imani Tafari-Ama und das Gestalterteam konzeptionierten willentlich eine Ausstellung, die irritieren und herausfordern soll.

Von der Museumsplanerin über Kuratoren und Ausstellungsgestalter bis hin zum Projektleiter und der Museumsdirektorin – die Tagung zog Menschen aus den unterschiedlichsten Berufsgruppen im kulturellen Bereich an. Schnell ergaben sich interessante Gespräche, der Austausch war im Fluss.

 

Blicke hinter die Kulissen


Im Anschluss an die Vorträge wurde uns an zwei Tagen die Möglichkeit gegeben, die zwei gastgebenden Museen näher kennenzulernen. Bei einer Führung durch die Ausstellungen des Estonian History Museum in Tallinn erfuhren wir nicht nur viel über die gewählte Methodik der Ausstellungsgestaltung, sondern auch über die Geschichte der Sammlung und des Museumsgebäudes. Als zweites durften wir den großartigen Neubau des Estonian National Museum in Tartu mit seinen beeindruckenden Ausstellungen auf 6000m2 Fläche bestaunen und einen Einblick in die Restaurierungswerkstätten bekommen.

Neben all den Erfahrungen und Eindrücken, die ich während der Tagung sammeln durfte, habe ich natürlich auch versucht, die lokale Museumswelt zu erfassen. Das Suurgildi hoone, das Haus der Großen Gilde im Tallinner Stadtzentrum, erzählt die Geschichte der estnischen Handelsleute. Im Eesti Vabaõhumuuseum, dem Freilichtmuseum, kann man auf einer Fläche von 84 Hektar 74 Gebäude aus zwei Jahrhunderten begutachten und sogar die ein oder andere alte Arbeitstechnik erlernen. Das Lennusadam Seaplane Harbour Museum wurde in einem beeindruckenden, aus der Zarenzeit stammenden Hangar für Wasserflugzeuge eingerichtet und präsentiert unterschiedliche Aspekte der Seefahrtsgeschichte. Das Vabamu Museum der Besatzungen und Freiheit eröffnet neue Blickwinkel auf Okkupationen, Widerstand, Wiederherstellung der Unabhängigkeit und Freiheit.

Ich bin dankbar für die Chance, im internationalen Austausch mit Kolleginnen und Kollegen aus dem Kultursektor viele neue Erkenntnisse, Eindrücke und Inspirationen mit nach Hause, aber vor allem auch ins Büro bringen zu können.

 

Text: Patricia Nekuda