SK
Select Language

Marterl und Kunst im öffentlichen Raum

Alle ArtikelFachbereich Klein- und Flurdenkmäler

Minerva trifft Bronze-Skulptur „Spitz“ von Gottfried Bechtold, Spitz a. d. Donau, Foto: Christian Wachter.

Klein- und Flurdenkmäler treffen zeitgenössische Kunst

HORIZONT ERWEITERN

Marterl, Bildstöcke und auch moderne Skulpturen laden zum Innehalten und Nachdenken ein.

 

Sei es im Wald, an Feldwegen oder auch entlang der Straßen durch die Ortschaften Niederösterreichs, überall begegnet man sogenannten Marterln, Gedenksteinen, Bildstöcken und ähnlichen Kleindenkmälern. Fast scheinen sie Teil der Landschaft zu sein, wie immer schon da gewesen. So nimmt man meist gar nicht mehr wahr, welche handwerklichen Kleinode, welche Geschichten, Aufrufe zur religiösen Andacht, aber auch Tragödien sich in diesen kulturellen Setzungen verbergen können. Hin und wieder jedoch entdeckt man frische Blumen oder Kerzen, die darauf hinweisen, dass sehr wohl noch ein Bezug zum Leben und Alltag von Menschen besteht. Seit 2010 haben sich auch die Betreiber der Website www.marterl.at der Klein- und Flurdenkmäler angenommen und wollen ein breiteres Bewusstsein für die Fülle dieser kleinen kulturellen Schätze schaffen.

Stolpersteine in der Landschaft

Gerade in Niederösterreich trifft man in der Landschaft aber auch immer wieder auf zeitgenössische Kunst. Diese fügt sich meist nicht so dezent in das Landschaftsbild ein, ist mehr optischer und gedanklicher Stolperstein und dennoch in der Intention nicht unähnlich den Klein- und Flurdenkmälern. Viele der Arbeiten, die in den letzten Jahren in den vielfältigen Landschaften von Niederösterreich entstanden sind, sollen die Betrachterinnen und Betrachter auf etwas Verlorenes oder gar Vergessenes hinweisen, sollen zum Innehalten und zum Nachdenken anregen und den gewohnten Blick auf die Umgebung erweitern. Bereits 1999 wurde zum Beispiel das „Mahnmal für verlorengegangene Artenvielfalt“ von Ingeborg Strobl errichtet, das den Verlust von Vielfalt und lokaler Eigenständigkeit am Beispiel der Rinderhaltung thematisiert. Die Künstlerin nahm dabei formal Bezug auf klassische Gedenksteine: In Antiquaschrift ließ sie die Namen der Rinderarten, die 1880 heimisch waren – Mürztaler, Gföhler, Stockerauer, Feldsberger, Murbodener, Raabser, Pinzgauer, Mariahofer, Böhmische, Braunhelmete, Ungarische, Montafoner, Lichthelmete, Innviertler –, und jene, die 1996 noch von Bauern gezüchtet werden – Fleckvieh, Braunvieh, Schwarzbunte –, in einen schlichten Obelisk schlagen, der sich nicht zuletzt durch seine Größe markant in der weiten Landschaft behauptet. Das Mahnmal ist Teil der „Kulturlandschaft Paasdorf“ (Bezirk Mistelbach), in der fünf unterschiedlichste skulpturale Interventionen zwischen den landwirtschaftlich genützten Feldern die ständige Veränderung der uns umgebenden Landschaft aufzeigen und den Einfluss des Menschen verdeutlichen.

Landschaft einbeziehen

Aus mehreren Skulpturen, die gleichsam ergangen werden müssen, um sich zu einem Ganzen zusammenzufügen, setzt sich auch die Arbeit von Misha Stroj in Roseldorf (Bezirk Hollabrunn) zusammen. Wo heute Spaziergänger und Radler unterwegs sind, standen früher an der Schmida zahlreiche Mühlen. Die entlang des Fußwegs angebrachten Elemente des „Denkmals für die Wassermühlen“ – Triebwerk, Kammraddach und Laterne – sind direkte Verweise auf die angewandte Technik und die ursprüngliche kulturelle Bedeutung des Flusses – der Name leitet sich vom althochdeutschen Wort *smid (= Schmied) ab und spielt darauf an, dass der Fluss die nötige Wasserkraft besaß, um Hammerschmieden anzutreiben (siehe auch Seite 28). Bewusst hat der Künstler in seine Arbeit auch einen nahe gelegenen Bildstock eingebaut, dessen Dach im Zuge der Realisierung des Kunstprojekts erneuert wurde, als Zeichen der Wertschätzung noch bestehender Kulturgüter und zur Betonung von deren Bedeutung im Landschaftsgefüge. 

Zeitgenössische Kunst trifft Flurdenkmal

Auch die Arbeit mit dem Titel „Spitz“ im doppelten Wortsinn von Gottfried Bechtold an der Donaulände in Spitz (Bezirk Krems-Land) bezieht eine bereits vorhandene, historische Skulptur mit ein. Für den Künstler ist die genaue Beobachtung und Auswertung ortsspezifischer Gegebenheiten zentral, um in der Folge neue Verbindungen zwischen dem Vorgefundenen herzustellen und diesen eine nachvollziehbare Form zu geben. In Spitz erinnert nun ein auf der Uferböschung installierter filigraner Kegel aus Bronze mit einer Höhe von 4,45 Metern an den historischen Hochwasserstand der Donau und steht in der Sichtachse einer Minerva-Skulptur aus dem 19. Jahrhundert, deren Augen ebenso mit Bronze überzogen wurden wie das Buch in ihren Händen. Diese Beispiele sollen zeigen, wie die Tradition der Klein- und Flurdenkmäler von der zeitgenössischen Kunst im öffentlichen Raum immer wieder aufgegriffen und in die Gegenwart fortgeführt wird. 

Text: Katrina Petter

Projektleiterin Kunst im öffentlichen Raum 

Abt. Kunst und Kultur im Amt der NÖ Landesregierung