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Ein Jahrhundert Bildhauerei

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Die Monate November und Dezember sind schon ihrer Feiertage und Feste wegen auch Zeiten der Besinnung, des Gedenkens und des Innehaltens. Denkmäler zur Erinnerung an bestimmte Personen oder Ereignisse – aber auch Grabmäler – zu schaffen, gehört seit jeher zu den zentralen Themen und Aufgaben von Bildhauern. Die Bandbreite an Denkmälern reicht dabei von naturgetreuen oder idealisierenden Standbildern bestimmter Personen über allegorische Figuren ohne konkreten Bildnischarakter bis zu abstrakten, bisweilen geometrischen Formen.

Den Betrachter zum Innehalten, zur Erinnerungsarbeit anzuregen, war und ist dabei die große künstlerische Herausforderung. Viel mehr als der Malerei wird der Skulptur Ewigkeitsanspruch zugewiesen, was schon die seit Jahrtausenden verwendeten Materialien wie Stein oder Bronze nahelegen. Dieser Ewigkeitsanspruch kann sich jedoch nicht nur in monumentalen Standbildern, sondern ebenso in Porträts oder Kleinfiguren ausdrücken.

Ein Museum für die Bildhauerei, auf die sich das LANGENZERSDORF MUSEUM seit nunmehr fast fünf Jahrzehnten spezialisiert hat, ist in Österreich nach wie vor eine Seltenheit. Dennoch ist dieses Museum vor den Toren Wiens und am Fuße des Bisambergs nach wie vor ein Geheimtipp, während zum Beispiel das Lehmbruck Museum in Duisburg, das Georg Kolbe Museum in Berlin oder das Chillida-Leku-Museum im Baskenland zum Pflichtprogramm eines kulturinteressierten Touristen zählen. Umso mehr bietet es sich an, das LANGENZERSDORF MUSEUM als Ort der Begegnung mit Skulptur zu entdecken. Die Besucher sind eingeladen, mit den ausgestellten Figuren stumme Zwiesprache zu führen.

Ein Jahrhundert Bildhauerei

Das Museum, ursprünglich als Gedenkstätte für den Bildhauer Anton Hanak erdacht, ist nicht zufällig in Langenzersdorf entstanden. Der Künstler lebte hier über zwanzig Jahre, nämlich von 1901 bis 1923. Mit einer Auswahl aus seinem Nachlass, der vom Land Niederösterreich für Langenzersdorf angekauft worden war, wurde das Hanak-Museum 1970 in der Abfüllhalle eines ehemaligen Champagnerkellers eröffnet. Durch räumliche Erweiterungen, Schenkungen, Ankäufe und Leihgaben bildet das Museum heute ausgehend von Anton Hanak mit Werken von Hanak-Schülern (wie Jakob Adlhart, Franz Blum, Angela Stadtherr oder Friz Wotruba) sowie Siegfried Charoux, Alois Heidel und Alfred Czerny ein Jahrhundert figurativer Bildhauerei ab.

Monumentale Umsetzung

Anton Hanak (1875-1934) gilt als der bedeutendste österreichische Bildhauer im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. Er war Wegbegleiter und Freund von Gustav Klimt und Josef Hoffmann. Auch Hanak schuf neben freien Arbeiten Monumente der Erinnerung, wie zum Beispiel das "Denkmal der Republik" an der Wiener Ringstraße oder die "Schmerzensmutter" als Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges am Wiener Zentralfriedhof. Für Langenzersdorf gestaltete er 1922 neben der Pfarrkirche ein Kriegerdenkmal in Form einer schlichten Steinpyramide aus Bruchsteinen des Bisambergs – unweit des heutigen Museumsstandortes. Hanak hatte sich einst gewünscht, dass seine Figuren in einem "heiligen Hain" der Öffentlichkeit zugänglich sein sollten. Zu seinen Lebzeiten ließ sich dies jedoch nicht verwirklichen. Wenn auch seine Werke heute aus konservatorischen Gründen nicht mehr im "Hain" des Museumsgartens, sondern nur mehr im Innenraum präsentiert werden, überkommt den Besucher ein Gefühl der Erhabenheit, wenn er die zentrale Hanak-Halle des Museums mit den überlebensgroßen Skulpturen betritt: sie gehörten bis zu Hanaks Tod zu seinem Atelierbestand und tragen symbolträchtige Titel wie "Der Jüngling", "Der Gigant", "Die Sphinx", "Die göttlichen Gaben der Natur" oder "Der Brennende Mensch". Es sind monumentale Umsetzungen von Hanaks Gedanken und Ideen.

Die spontane Situation

Weniger erhaben, aber umso verinnerlichter, sind die Skulpturen von Siegfried Charoux (1896-1967), dessen Nachlass sich als Schenkung seiner Witwe Margarethe seit 1982 in Langenzersdorf befindet. Der Bildhauer, Maler und Karikaturist Charoux, nach eigenen Angaben für kurze Zeit Schüler von Anton Hanak an der Wiener Kunstgewerbeschule, zählt zu den wichtigsten österreichischen Bildhauern der Zwischenkriegszeit und feierte nach seiner Emigration in Großbritannien große Erfolge. Als sein bekanntestes Werk in Österreich gilt das Lessing-Denkmal am Wiener Judenplatz aus dem Jahr 1935, das er nach seiner Abtragung durch die Nationalsozialisten im Jahr 1939 in einer neuen Fassung wiederholte. Im Angesicht der beiden Weltkriege war für Charoux die Vermittlung von Frieden und Humanität zur wichtigsten Botschaft seiner bildhauerischen Arbeit geworden, wie Figuren und Figurenpaare mit den Titeln "Mutter und Kind", "Junge Menschen" oder "Freunde" belegen. Im Gegensatz zu den Werken Hanaks, die für die Ewigkeit gemacht zu sein scheinen, erfasste Charoux in Skizzen das Flüchtige, die spontane Situation, die er auf dem Weg der Skulptur ins Überzeitliche überführte. Dies spiegelt sich vor allem in seinen zahlreichen Musikern und Musikergruppen wie dem "Cellisten" wieder: Der Augenblick der völligen Hingabe an das Instrument wird dabei zu einer Allegorie der Musik.

Von der Gegenständlichkeit zur Abstraktion

Mit den Arbeiten von Alois Heidel (1915-1990) und Alfred Czerny (1934-2013), beide Vertreter der Wotruba-Schule, wird der Übergang in der Skulptur von der Gegenständlichkeit zur Abstraktion deutlich. Während Alois Heidel in seinen Tierplastiken die Formen bis auf das Wesentliche reduzierte, fror Alfred Czerny in seinen "fliegenden Pferden" die Sprungbewegung des Tieres ein – sowohl Momentaufnahme als auch zeitlose Darstellung des Pferdes an sich.

Text: Gregor Anatol Bockstefl

LANGENZERSDORF MUSEUM

Bildhauer Hanak, Charoux, Heidel, Czerny – Urgeschichte – Ortskunde – Max Brand Tonstudio
Obere Kirchengasse 23, 2103 Langenzersdorf
Tel. 02244 3718, www.lemu.at

Öffnungszeiten:
Samstag, Sonntag, Feiertag 14.00 bis 18.00 Uhr (Kassaschluss 17.30 Uhr) und nach Vereinbarung
Weihnachtspause: 16.12.2019-10.01.2020 - Besichtigung nur nach Voranmeldung