Stoffe – voll im Trend!
Dieser Beitrag ist Teil der Serie "Wirtschaftsstandort Niederösterreich". In dieser sammeln und zeigen wir Museumsobjekte aus der Wirtschafts- und Industriegeschichte des Bundeslandes und lassen sie erzählen: Entdecken Sie Firmen, die von weltweiter Bedeutung waren; Produkte, die man heute kaum noch (er-)kennt; Persönlichkeiten mit Einfallsreichtum und sozialem Engagement, und und und... Wir wünschen viel Freude beim Schmökern in unserer digitalen Ausstellung!
Nach dem digitalen Schmökern ab ins Museum! Zum Beispiel ins Städtische Museum Neunkirchen, ins Museum für Dorfkultur in Großengersdorf oder ins 5-Elemente-Museum in Waidhofen an der Ybbs.
Digitale Sammlung: Stoffe - voll im Trend!
Die Gestaltung von Kleidung und Wohnraum bietet ein großes Identifikationspotential und bringt dadurch laufend neue Stofftrends hervor. Die Muster und Designs sind ebenso wie die Technik der Verarbeitung stetigem Wandel unterzogen. Besonders spannend ist bei dieser Entwicklung das Zusammenspiel von Handwerk, industrieller Fertigung und künstlerischer Kreativität. Blaudruckmodel, gravierte Moletten, Stoffmusterbücher, Stickvorlagen und Webmuster zeigen Meilensteine der Textilverarbeitung und -gestaltung.
Äußerst aufschlussreich ist dahingehend der umfangreiche Bestand der ehemaligen k. k. priv. Modewarenfabrik Hackl & Söhne aus Weitra, der sich heute im Eigentum der Niederösterreichischen Landessammlungen befindet, ähnliche Schätze befinden sich im Städtischen Museum Neunkirchen und in weiteren Regionalmuseen in Niederösterreich. Einige Beispiele finden Sie unter diesem Beitrag.
Der Schatz der Blaudruckerwerkstatt
Die Handwerkstechnik des Blaudrucks steht seit 2018 auf der Liste des Immateriellen Kulturerbes. Die materiellen Zeugen und der Schatz jeder Blaudruckwerkstatt sind die Druckmodeln mit filigranen Mustern und historischen Formen. Ursprünglich aus Indien stammend, zeichnen sich Blaudruckstoffe durch die intensive Farbgebung des Indigoblaus und die weißen Motive aus. Für die Herstellung bedient man sich des Reservedruckverfahrens, wobei die „Papp“ (farbabweisende Masse) mit Modeln aufgedruckt wird und nach dem Färbebad die gewünschten Muster hinterlassen.
Die Anfertigung der Druckmodeln haben Holzschneider, Formenstecher oder die Blaudrucker selbst übernommen. Ursprünglich wurde dabei gänzlich mit Holz gearbeitet und die Muster mit Stemm- und Stecheisen gestochen. Für feine Details, Punkte und Striche hat man in der Folge Messingstifte und -platten auf den Holzmodeln eingeschlagen.
Neben einem alten Holzdruckstempel befinden sich im 5-Elemente-Museum in Waidhofen an der Ybbs auch feingliedrige, metallbeschlagene Model mit zarten Ornamenten und wunderbaren Blumenmotiven. Im Museum für Dorfkultur in Großengersdorf findet man kleinformatige Model, teilweise mit Initialen und Zeichen. Sie sind von einer Schneiderei in den Besitz des Museums übergegangen.
Bibliothek der Stoffmuster
Eine Besonderheit der Textilgeschichte wartet im Depot des Städtischen Museums Neunkirchen, in welchem der Musterbestand der ehemaligen k.k. privilegierten Neunkirchner Druckfabriks-Aktiengesellschaft lagert. Bei der Gründung des Betriebs als Kottonfabrik im Jahre 1802 konzentrierte man sich auf das Bleichen und Färben von Leinen, bis man dazu überging, Möbelstoffe zu bedrucken. Aus der Zeit, in der überwiegend mit der Blaudrucktechnik gearbeitet wurde, sind noch wunderbare Handmodel erhalten. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts wechselte man zur effizienteren und kostengünstigeren Rouleauxdrucktechnik, dabei bedrucken Kupferwalzen mit einem eingravierten Muster die Stoffe. Mit den neuen Techniken konnte man in eine Massenproduktion gehen, umfangreiche Bestellungen bedienen und einen regen internationalen Handel aufbauen. Durch die neuen Absatzmärkte sowie das zunehmende Modebewusstsein entstand eine ungeheure Sortimentsvielfalt, die akribisch in Stoffentwurfbüchern, geordnet nach Material und Entstehungsjahr, erfasst wurden. Die großformatigen Folianten haben außen zwar durch ungünstige Lagerbedingungen gelitten, aber die kleinen Stoffausschnitte im Inneren sind sehr gut erhalten und zeigen noch heute die intensive Farbpracht der bedruckten Stoffe.
Neben den umfangreichen Stoffmustern sind durch vorangegangene Entwürfe und Statistiken die verschiedenen Arbeitsschritte und Produktionsphasen dokumentiert. Bleistiftzeichnungen, Vorlagen mit Farbkombinationen sowie Anmerkungen zur gewünschten Motivauswahl oder konkrete Bestellungen erzählen von der Gestaltung der Muster. Der Erfolg der verschiedenen Designs wurde in Musterstatistiken erfasst und für den europaweiten Vertrieb wurden kleinformatige Musterbücher angelegt, die auf Handelsreisen leicht transportiert werden konnten. Die Stoffmuster stammen vom Anfang des 20. Jahrhunderts und reichen bis ins Jahr 1929, als die Druckfabrik in Neunkirchen schließen musste.
Mit Nadel und Zwirn
Vorlagen und Muster für das Besticken von Stoffen findet man häufig in regionalen Museen. Als Arbeitsunterlagen von Schulmädchen sind sie oft mit der Übernahme von kompletten Hausbeständen in die Sammlungen gelangt. Im Schaudepot des 5-Elemente-Museums in Waidhofen an der Ybbs kann man anhand der Schularbeiten der jungen Frauen gut erkennen, wie die Muster mit verschiedenen Stichen oder auch Motiv- und Buchstabenvorlagen angelegt wurden. Die Stickmustertücher wurden zum Erlernen der Sticktechnik im Handarbeitsunterricht angefertigt und dienten als Grundlage des Motivrepertoires. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts war die Erstellung von Stickmustertüchern Bestandteil der Lehr- und Ausbildungspläne für Mädchen. Sie sind daher in großer Anzahl und in unterschiedlichen Ausführungen erhalten. Während vormals undekorierte Alltagswäsche mit den Initialen der Besitzer bestickt wurde, um sie für das gemeinsame Bleichen und Waschen zu kennzeichnen, sind Stickereien zunehmend an wertvollen Stoffen zur Repräsentation und feierlichen Ausstattung zu finden.
Spannende Lektüre: Stickmusterbücher
In Europa sind Stickmustertücher ab dem 17. Jahrhundert erhalten, doch bereits davor hat man mit Holzschnitten gedruckte Musterbücher mit Web-, Stick- und Strickvorlagen erstellt. In gedruckter Form und in individuell angelegten Mustermappen sind sie ab dem 19. Jahrhundert wieder üblich und führen parallel Mustervorlagen, Garnproben, Stoffausschnitte sowie Anmerkungen und Erklärungen zur Herstellung an. Musterblätter und Mappen dieser Art befinden sich im Stadtmuseum Bad Vöslau, wo Unterlagen von Lehrgängen an der k.k. Fachschule für Weberei in Reichenberg etwa von 1911/1912 und der Bundeslehranstalt für Textilindustrie in Wien von 1929/1930 aufbewahrt werden. Neben den Ausbildungsunterlagen zeugen Objekte der ab 1883 ansässigen Kammgarnspinnerei und -fabrik von einer blühenden Textilindustrie in Bad Vöslau.
Text: Christa Zahlbruckner
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Die Publikation "Kaleidoskop der Dinge" vereint Beiträge zu handwerklichen Mustersammlungen in Niederösterreich und der Slowakei. Im Fokus liegt die Dokumentation von Mustern, deren digitale Aufbereitung sowie die weitere Nutzung und Neuinterpretation dieses Kulturerbes.
Informationen zu diesem und zu den weiteren Büchern des Museumsmanagment Niederösterreich sowie zu den Bestellmöglichkeiten finden Sie auf unserer Website.