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Museumsmanagement Niederösterreich, Foto: Katrin Vogg

Paradies in der Mitte

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Abgeschiedenheit. Stille. Besinnung. 

Wie die Klosterkirche prägt auch der Klostergarten unser Bild vom ruhigen Leben der Mönche. Dabei zeigt die Spurensuche den lebhaften Wandel, den die Klostergärten im Laufe der Zeit erlebten. 

Die Wichtigkeit des Gartens betont schon der hl. Benedikt in seiner Mönchsregel: "Das Kloster soll... so angelegt werden, dass sich alles Notwendige, nämlich Wasser, Mühle und Garten, innerhalb des Klosters befindet." Dabei ist klar, dass sich die Idee des Gartens, von dem hier die Rede ist, wenig deckt mit unserer Vorstellung vom gehegten Stückchen Natur. Denn vor allem die Versorgung des Klosters mit (Heil-)Kräutern und Gewürzpflanzen stand am Beginn der jahrhundertealten Tradition; Mönche und Nonnen versuchten, mit Hilfe der "Apotheke Gottes" die gesundheitlichen Nöte ihrer Mitmenschen zu lindern. Heilkundige wie Hildegard von Bingen (die in der Mitte des 12. Jahrhunderts das Wissen ihrer Zeit um die Kräfte der Pflanzen niederschrieb) sind noch heute Inbegriff jenes Vertrauens, dass gegen jede Krankheit "ein Kräutlein gewachsen sei".  

Vom Kreuzgarten...

Erhalten ist von diesen frühesten Gärten, die ganz im Zeichen des Nützlichen standen, wenig. Dafür geben die Innenhöfe der mittelalterlichen Kreuzgänge einen Hinweis darauf, dass die Menschen bereits im Mittelalter die spirituelle, nicht unmittelbar nutzbringende Bedeutung eines Gartens zu schätzen wussten. Die Stille, Würde dieser innersten Räume des Klosters, das Nebeneinander von gebauter Architektur und umbauten Garten berühren auch die Menschen unserer Tage. Mit den Neuerungen von Renaissance und Barock, die in höfischen Kreisen aus Nutzgärten Lustgärten werden ließen, änderte sich auch das Bild des Klostergartens. Zwar waren – nach wie vor – die Küchen- und Gemüsegärten nicht wegzudenkende Bestandteile der Klosteranlagen. Doch immer stärker etablierten sich gestaltete Refugien, die vor allem den Prälaten und ihren Gästen zur Verfügung standen.

... zum Prälatengarten

Deutlich lässt sich diese Entwicklung am Beispiel des Zisterzienserstiftes Zwettl nachzeichnen: An der Stelle eines Ende des 16. Jahrhunderts dokumentierten "baumpgärtels" mit Lusthaus für den Abt wurde ab 1684 ein großzügiger hortus abbatialis (Abtsgarten) angelegt, der auf einer künstlich angelegten Terrasse über ein gemauertes Gartenhaus inmitten regelmäßig angelegter Blumenbeete verfügte. Standbilder der zwölf Monate und ein kostspieliger Springbrunnen, Kübelpflanzen und hölzerne Salettl vermittelten die Atmosphäre eines italienischen Fürstenhofs mitten im rauen Waldviertel. Ein Höhepunkt dieser Entwicklung wurde im 18. Jahrhundert erreicht. Abt Melchior von Zaunagg ließ (zur selben Zeit mit dem Kirchenumbau) seinen Garten mit einem neuen Pavillon ausstatten, ab 1725 wurden bereits nicht-heimische Pflanzen mit benachbarten Adeligen getauscht – auch wenn geraten wurde, die "Kästenbäumerl" (Kastanien) einstweilen für den Winter noch in Kübeln zu belassen. Wie wichtig dem Abt der Garten war, erkennt man daran, dass die berühmte Zwettler Turmfassade ihre prächtigste Wirkung vom Pavillon des Abtes aus entfaltet.

Sensationell für Gartenfreunde ist übrigens das in seinem Erhaltungszustand einzigartige Heizsystem der Glashäuser aus der Zeit um 1720. Ähnlich der Warmluftheizung in Schloss Hof konnten über ein kammartiges System von Luftkanälen auch in Zwettl die Gewächshäuser temperiert werden. Freude werden aufmerksame Besucherinnen und Besucher außerdem im Frühling haben, wenn – büschelweise! – der "Nickende Milchstern" (Ornithogalum nutans) im Prälatengarten in Blüte steht, eine aus der Türkei stammende Zierpflanze, die im Barock nach Europa eingeführt wurde und einen lebenden Rest der barocken Originalbepflanzung darstellt.

Der Zauber des "Natürlichen"

Die Faszination für geometrische Beetanlagen und zurechtgestutzte Buchsbaumhecken erlosch mit dem Ende des 18. Jahrhunderts. Auch in den Klöstern kehrte mit dem Geist der Aufklärung neues Interesse für "Natürlichkeit" ein. Die Technik der Glashäuser wurde verfeinert – in Zwettl wandelte man die bestehenden Gebäude in "Sonnenfanghäuser" um, die mit schräg gestellten Scheiben und einem in die Höhe gezogenen Putzgesims die Sonneneinstrahlung optimieren und Schutz vor Hagel bieten sollten. Im Biedermeier wurde um das Stift herum ein "Englischer Park" angelegt, bereichert mit exotischen Gehölzen, wobei die "Babylonische Weide" (echte Trauerweide) oder die Akazie (Robinie) damals noch als Rarität angesehen wurden. Bäume und Steine sollten, mit Sinnsprüchen versehen, das romantische Naturgefühl steigern und zum Nachsinnen anregen. Aufwendig begann man immer anspruchsvollere Pflanzen zu ziehen: Marillen und Pfirsiche, denen eigens ein veränderbares Glashaus errichtet werden musste, wurden gesetzt, Camelien gezüchtet und meterhohe Agaven zum Blühen gebracht. Erst das 20. Jahrhundert, in dem wirtschaftliche Nöte den "Luxus" einer derartigen Pflege unmöglich machte, bereitete dieser Blüte des Gartenbaus ein Ende.

Klostergärten heute

Die in Stift Zwettl ablesbaren Entwicklungsschritte finden sich in ähnlicher Form auch bei den anderen Klöstern Niederösterreichs. Und auch die neuesten Entwicklungen auf dem Gebiet der "Klostergärten" haben ihre Parallelen: Denn mit viel Engagement und Liebe erlebten viele Gärten – nach Jahrzehnten der Vernachlässigung – vor kurzem eine Revitalisierung und wurden für Besucherinnen und Besucher zugängig gemacht: Stift Seitenstetten ließ seinen "Hofgarten" in barocken Formen wiedererstehen, der alljährlich Gäste aus Nah und Fern begeistert. Ebenfalls im Sinne des Barock ist der Prälatengarten im Stift Herzogenburg  rekonstruiert worden. Der Kräutergarten im Stift Geras setzt wiederum die mittelalterliche Tradition der Klostergärten fort und knüpft an das Wirken des bekannten Kräuterpfarrers Weidinger an, der in Herrn Benedikt Felsinger seinen würdigen Nachfolger gefunden hat. Stift Melk öffnet im Sommer seinen Gästen den Gartenpavillon, der mit den exotischen Fresken Johann Wenzel Bergls früher den Mönchen als Erholungsort diente. Während sich im Stift Lilienfeld  der Landschaftspark (in dem im 19. Jahrhundert 451 exotische Baum- und Strauchsorten gepflanzt waren) noch in seiner historischen Form erhalten ist, wurde der Park von Altenburg zu einem "Garten der Religionen" umgewandelt. Und im Stift Zwettl  kann der prachtvolle Blick auf den Kirchturm, einst dem Prälaten und seinen erlesenen Gästen vorbehalten, heute von allen Besucherinnen und Besuchern bewundert werden – am besten bei Kaffee und Kuchen.

Text: Andreas Gamerith

Dieser Artikel ist ursprünglich im Schaufenster Kultur.Region erschienen.