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Museumsmanagement Niederösterreich, Foto: Katrin Vogg

Museen und „ihre“ Bevölkerung

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Gewisse Themen im Museumsalltag werfen regelmäßig Fragen auf, doch die Antworten sind nur schwer zu finden. „Was macht eine gute Zusammenarbeit mit der regionalen Bevölkerung aus?“ ist offensichtlich eine davon. Jedes Museum wünscht sich, dass es von den Menschen im engsten Umfeld wahrgenommen wird – ob zu einem Besuch, zur ehrenamtlichen Mitarbeit oder, im besten Fall, zu beidem. Viele Museen tun sich allerdings mit gerade dieser Zielgruppe schwer, fühlen sich vom eigenen Ort übersehen, zu wenig genützt, manchmal auch falsch eingeschätzt. Wie kann diese Situation verbessert werden, wie können (echte oder auch nur vermutete) Barrieren abgebaut werden? Kurz und gut: Wie erreicht man jene Menschen, die zwar geografisch nahe sind, aber dennoch nur selten den Weg ins örtliche Museum finden?

Virtuell, doch sehr real: Treffen am Museumsstammtisch

Genau darüber unterhielten sich rund 10 Vertreter*innen von niederösterreichischen Museen gemeinsam mit Patricia Nekuda und Barbara Linke vom Museumsmanagement Niederösterreich bei einem sogenannten „Museumsmittwoch“: dieser virtuelle Stammtisch findet einmal pro Monat online statt und steht allen offen, die sich zum jeweiligen Thema mit anderen Museumsmenschen austauschen wollen.

Dieser spezielle Museumsmittwoch entwickelte eine sehr lebendige Gruppendynamik. Zwar sagt man dem Online-Format nach, dass es gerade für den zwischenmenschlichen Diskurs eher ungeeignet wäre, doch wurde hier das Gegenteil bewiesen: die Teilnehmenden diskutierten sehr angeregt über die ursprünglich geplante Zeit hinaus über Problemstellungen, Herangehensweisen und mögliche Lösungen.

Wer kommt zu mir (nicht)?

Alles drehte sich um die zentrale Frage „Wie interessiere ich die Leute aus meinem Ort für mein Museum?“. Aus dieser ergaben sich rasch zwei Hauptanliegen: Menschen zum Museumsbesuch zu bewegen und Menschen als ehrenamtlich Mitarbeitende zu gewinnen – und im besten Fall zur Krönung beides miteinander zu verbinden. So berichtete Frau Caterina Grasl, dass sie vor einigen Monaten „eigentlich nur die Ausstellung ansehen wollte“. Heute ist sie Obfrau des Vereins „Freunde der Maria Biljan-Bilger-Ausstellungshalle“. In dieser Funktion möchte sie die sehenswerten Exponate und die nicht minder sehenswerte Architektur der Ausstellungshalle gerade auch der örtlichen Bevölkerung näherbringen. Dazu wählt sie einen offenen Zugang: es gibt immer wieder Veranstaltungen wie etwa Lesungen, bei welchen man sich – wenn es die kühleren Temperaturen verlangen – in kuschelige Decken hüllen und in der besonderen Atmosphäre dieses Gebäudes einer Autorin lauschen kann. Auch sind Kooperationen mit den örtlichen Schulen angedacht, die von anderen Museen bereits sehr erfolgreich durchgeführt werden.

Der Jugend ihr Museum

So schilderte Susanne Stökl die beiden Workshop-Tagen mit der NMS Eggenburg. Schüler*innen kamen dazu ins Krahuletz-Museum in Eggenburg und durften so richtig zupacken: es wurde fotografiert, in der Stadt und im Museum recherchiert, es wurden Texte eingesprochen und Filme gedreht. Ziel war es, weitere Museumsobjekte für die WebApp „MuseumsMenschen“ zu erfassen und dort aus dem Blickwinkel der jüngeren Generation vorzustellen. Einen Einblick in diese arbeitsreichen Stunden vermittelt der Blogbeitrag „MuseumsMenschen in Eggenburg – The next generation“.

Auch das Museum Horn arbeitet regelmäßig mit örtlichen Schulen zusammen. Mit ganz praktischen, handwerklichen Tätigkeiten an Vitrinen und Gebäudeteilen werden die Jugendlichen „ins Haus geholt“ und haben damit schon einmal die erste Hürde, nämlich die Türschwelle, überwunden. Dadurch lernen sie das Museum kennen und sehen, dass es ganz lebensnah und real ist, gar nicht abgehoben und abstrakt. So wird Interesse geschürt, welches in Aktionen wie Interviewserien mit den Teenagern, Traktorfahrten durch die Stadt und Kulturvermittlung mit Smartphones weitergeführt und vertieft wird. Dass dies dann auch die lokale Presse interessiert, versteht sich fast von selbst!

Auf die Unterstützung von Jugendlichen griff auch Martin Krickl vom Bezirksmuseum Lilienfeld zurück: er benötigte gutes, frisches Fotomaterial. Dem Aufruf, bei freiem Eintritt, im Museum zu fotografieren und damit bei einem attraktiven Gewinnspiel teilzunehmen, folgte leider … niemand. Doch über die Kooperation mit dem örtlichen Gymnasium entstanden einige richtig tolle Beiträge von Schüler*innen!

Veranstaltungen? Gerne! Nur, welche?

Welche weiteren Möglichkeiten gibt es, die regionale Bevölkerung ins Museum zu holen? Am einfachsten gelingt dies mit Veranstaltungen aller Art. Dabei wird bereits ein breites Spektrum angeboten.

Im Museum Hohenau an der March etwa werden Erzählcafés veranstaltet. Dabei erzählen Menschen aus ihren Erinnerungen oder lesen diese vor. Wenn jemand das nicht vor Publikum tun will, werden die Inhalte im Vorfeld jemandem aus dem Museumsteam erzählt und diese Mitschrift wird dann präsentiert. Zu den Erzählcafés kommen manchmal 20, dann wieder 120 Personen, wie Brigitte Semanek erzählt. Aber hier ist niemand böse, wenn einmal weniger Gäste erscheinen, weil die Vorbereitungen nicht allzu umfangreich sind und so immer die Freude über die erschienenen Besucher*innen überwiegt.

Es erweist sich also als lohnend, wenn für Veranstaltungen Aufwand und Erwartungshaltung überprüft und möglichst in Einklang gebracht werden. Was ist für mein Museum ein Erfolg, wie groß war unser Einsatz dafür? Das gilt es abzuwägen, da waren sich alle Diskutant*innen einig, ebenso wie bei der Tatsache, dass es immer besser ist, etwas (zum Ausprobieren vielleicht mit geringerem Aufwand) anzubieten und ins Museum einzuladen, als nichts zu tun.

Geheimrezept: Fragen!

Woher weiß man aber, was die Besucher*innen interessieren könnte? Da fragt man sie am besten selbst! Etwa mithilfe einer Umfragewand im Museum, mit einem Einlegeblatt in der Speisekarte des Sommerfestes oder einfach durch direkte Ansprache. Diese kann man auch gleich mit konkreten Anliegen verbinden: Was interessiert dich? Hast du dazu vielleicht Leihgaben für uns? Könntest du uns einen Text dazu schreiben oder die Vitrine dafür reparieren?

Diese Herangehensweise führt dazu, dass (potenzielle) Museumsbesucher*innen zu (engagierten) Museumsmitarbeitenden werden, die sich einbringen und so mit dem Haus identifizieren; die davon in ihrer Familie und im Freundeskreis erzählen und dadurch weitere Menschen auf das Museum aufmerksam machten; die wiederum eine neue Sichtweise gewinnen und Berührungsängste abbauen. Klingt doch recht einfach, oder? Ist es in der Theorie, in der Praxis braucht es natürlich sehr viel (unermüdlichen) Einsatz.

Nützen, was man hat!

Wichtig ist zu nützen, was man hat! Sei es ein schöner Innenhof oder Garten oder, wenn man es so gut trifft wie das Weinbau- und Fassbindereimuseum in Strass im Straßertale, eine Vinothek. Diese zieht Menschen an, die oft gar nicht wissen, dass sich im selben Gebäude auch ein Museum verbirgt und daher eher zufällig im Rahmen einer Verkostung hineinkommen. Die Kombination aus diesen beiden Angeboten ist besonders beliebt, wie Museumsleiter Erich Broidl zu erzählen weiß: Weingartenspaziergang, Museumsbesuch, Weinverkostung – dieses Gesamtpaket zieht immer!

Natürlich ist nicht jedes Museum mit einer Vinothek gesegnet, doch zeigt dieses Beispiel zweierlei: Zum einen, dass Essen und Trinken immer locken. Eine machbare Verköstigung sollte bei keiner Veranstaltung fehlen! Zum anderen sehen wir, wie wichtig Kooperationspartner sind. Dazu zählen etwa andere Vereine im Ort, weitere Museen in der Region, die lokale Tourismusinformation oder der Kindergarten, das Gemeindeamt und dessen Schaukästen, die Gemeindezeitung, Veranstaltungskalender und Newsletter. Bitte denken Sie noch einen Schritt weiter: wie können wir diese Institutionen zusammenführen und miteinander eine tolle Veranstaltung oder gar eine ganze Veranstaltungsreihe, genau zugeschnitten auf „unsere Bevölkerung“, auf die Beine stellen?

Was könnten das für Veranstaltungen sein? Dazu wurden die klassischen Ideen wie Lesungen und Konzerte, Führungen und Vorträge genannt, aber auch eine Bastelwerkstatt, ein Museumscafé oder ein Frühstück im Museum, wo so etwas möglich ist. Beim Publikum beliebt ist auch immer ein „Blick hinter die Kulissen“, der Besuch des Depots sowie die Gestaltung einer Lieblingsvitrine oder einer Fotowand mit Bildern aus dem Ort. Kombinieren Sie dazu vielleicht noch eine Yogaklasse und spenden Sie einen Teil der Einnahmen für einen guten Zweck! Und bitte nicht vergessen: Machen Sie dafür Werbung, auch in den lokalen Geschäften und Gasthäusern!

„Das Museum muss unter die Menschen gehen!“

Dies sind nur einige Ideen, die im Miteinander des Museumsmittwochs gefallen sind. Selbstverständlich muss jedes Museum schauen, was es leisten kann, was zu ihm passt, was es will. Doch in einem Punkt herrschte große Einigkeit unter den Gesprächsteilnehmer*innen: ein Museum muss hinaus gehen, zu den Menschen gehen, um von den Menschen wahrgenommen werden! Es heißt, aktiv nachzufragen, wie das Museum gesehen wird, was ist gut, was nicht so sehr, was fehlt? Diese Präsenz schafft öffentliches Bewusstsein und damit jene Relevanz, welche sich die Museen erhoffen und verdienen.

Text: Barbara Linke

Weiterführende Links:

Maria Biljan-Bilder Ausstellungshalle
Krahuletz-Museum Eggenburg
Museum Horn
Museum Lilienfeld
Museum Hohenau an der March

WebApp MuseumsMenschen

 

Nach dem Museumsmittwoch ist vor dem Museumsmittwoch

Eine erfreuliche Entwicklung hat sich übrigens aus dem letzten Museumsmittwoch bereits ergeben: manche Museen haben über dieses Online-Format zueinander gefunden und führen diesen Kontakt nun weiter, um sich auch in Zukunft auszutauschen und zu unterstützen

Wir bedanken uns ganz herzlich bei allen Teilnehmer*innen und laden alle, die nun auf unsere Art der Stammtischgespräche neugierig geworden sind, herzlich zu den kommenden Terminen ein:

  • 07.12.2022 "Fördereinreichungen":
    Gespräch mit Ulrike Vitovec und Petra Steurer (Museumsmanagement Niederösterreich)
  • 18.01.2023: "Einreichung Museumsgütesiegel":
    Gespräch mit Patricia Nekuda (Museumsmanagement Niederösterreich)
  • 22.02.2023: "Museumsfrühling 2023"
    Gespräch mit Barbara Linke (Museumsmanagement Niederösterreich)

Interesse? Kurze E-Mail zur Anmeldung genügt!