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Museumsmanagement Niederösterreich, Foto: Katrin Vogg

Museen – Bewahrer der Zeit

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Zeit ist Emotion. Gerade im Advent, wenn wir alle auf Ruhe und Besinnlichkeit hoffen.

Meist ist das Gegenteil der Fall, die Hektik des Alltags scheint eher zuzunehmen. Gleichzeitig wünschen wir uns, die Zeit zu verlangsamen, sie bewusst wahrzunehmen und zu bewahren. Alles dreht sich um diesen faszinierenden Begriff Zeit – auch in Museen. Da geht es nicht nur, aber auch, um das Bewahren – von Objekten und von Geschichten – und damit um das Bewahren von Zeit.

Daten erzählen Geschichten

Museumsstücken wohnt es inne, uns auf Zeitreisen mitzunehmen, sei es, wenn sie vor Ort im Museum oder ganz bequem online von der heimatlichen Couch aus betrachtet werden. Doch sind viele Informationen nötig, bis wir in den Genuss dieses Zaubers kommen, bis die Objekte Geschichten erzählen, Emotionen wecken, träumen lassen. Zuallererst braucht es ganz nüchterne Daten, die in einem Museum erhoben werden, wo also Objekte professionell inventarisiert und digitalisiert werden. Die Regionalsammlungen in Niederösterreich beherbergen eine schier unüberschaubare, beeindruckende Vielfalt an solchen Objekten und Geschichten. Im Zuge des Förderprogramms „Kulturerbe digital“ des BMKÖS wurden von den Projektmitarbeiterinnen über 12.000 Objekte in acht Regionalmuseen Niederösterreichs gesichtet, gesäubert, fotografiert und digital erfasst.

Die Projektmitarbeiterinnen arbeiteten gemeinsam mit den ehrenamtlichen Museumsteams und schufen so eine fundierte Datenbasis. Wie nebenbei räumten Sie auch mit dem Klischee auf, Museumsarbeit bestünde vor allem aus Sitzen und Studieren. Genauso sind Geschicklichkeit und Bewegung gefragt, wie die Fotostation im Geschichtlichen Museum der Stadt St. Valentin eindrücklich beweist: Qualitative Fotos sind gemeinsam mit Objektinformationen die Grundlage für die langfristige Sicherung und eine gelungene Online-Präsentation.

Digitalisierung schafft auch Professionalisierung. Dies ist für die Regionalmuseen in Niederösterreich von größter Bedeutung, arbeiten sie doch vorwiegend mit ehrenamtlichen Teams. Da gilt es, Berührungsängste mit dem Thema ab- und dafür Expertise aufzubauen – und Impulse für das weitere Inventarisieren zu setzen. Das ist übrigens eine klassische Winterarbeit, wenn viele Museen geschlossen haben. In der öffentlichen Wahrnehmung mag es so wirken, als wäre das Museum im Winterschlaf. Doch ist das genaue Gegenteil der Fall! Wie überhaupt vieles an Museumsarbeit für Außenstehende unsichtbar bleibt. Etwa das Erstellen neuer Ausstellungen, das Verbringen von Objekten, auch Buchhaltung, Marketing und Veranstaltungsplanung. Und eben auch die Pflege der Sammlungen, denn, so viel steht fest: Kein Museum ohne Sammlung!

Aus Niederösterreich in die weite Welt

Dies bringt uns zurück zum Begriff Zeit. Museumssammlungen, so scheint es, konservieren sie. Vielleicht ist auch Ihnen schon der Gedanke durch den Kopf gegangen, „Wenn dieser Gegenstand sprechen könnte, der hätte sicher viel zu erzählen!“.
Das gilt mit Sicherheit für die Reiseuhr von Kronprinz Rudolf aus dem Heimatmuseum Persenbeug-Gottsdorf. Diese ist nun, dank der digitalen Erfassung, uns allen online zugänglich. Ganz unabhängig davon, ob das Museum gerade offen und das Stück ausgestellt ist und man es vor Ort besichtigen kann.

Es geht sogar noch weiter: durch die Digitalisierung werden bestimmte Objekte erst entdeckt – von Besucherinnen und Besuchern wie auch von wissenschaftlichen Institutionen. Ganz konkret zeigt sich dies bereits jetzt, wenn auf der Kulturpool-Website, die Österreichs kulturelles Erbe zur Erforschung zur Verfügung stellt, niederösterreichische Regionalmuseen dank ihrer bedeutsamen Sammlungen direkt neben den „ganz Großen“ wie der Albertina oder der Österreichischen Galerie Belvedere stehen.

Mehr als 12.000 neue Objekte im DIPkatalog zeigen das reiche Kulturerbe des Landes und das Potenzial für die wissenschaftliche und persönliche Auseinandersetzung mit der Vergangenheit.

Christa Zahlbruckner, Museumsmanagement Niederösterreich, Leitung digitale Sammlungen

Die Macht der Dinge

Objekte schaffen Verbindungen. Zwischen Menschen und zwischen Zeiten. Lässt man sie erzählen, werden sie vom reinen Ding zur Schatztruhe voller Geschichte und Geschichten. Postkarten etwa gestatten Einblicke in die Umstände, unter denen sie verfasst und versendet worden sind. Sie sind ein spannendes Forschungsobjekt, für Profis wie auch für Laien, die zur eigenen Familie oder dem Heimatort forschen. Außerdem schlummern zwischen den Zeilen Emotionen, die auch in uns Empfindungen und Erinnerungen wecken.

 

Betrachten Sie nur den Brief ans Christkind von Heli Kreuter vom 18. Dezember 1946: Darin wünscht sie sich in schönster Schulschreibschrift eine Puppe und ein Religionsbuch. Wie viel Information steckt auf dieser Seite Papier, wie viel erzählt sie uns mit wenigen Worten von den Lebensbedingungen etwa eineinhalb Jahre nach dem Ende eines Weltkrieges.

Und schon sind wir auf Zeitreise: Vielleicht denken sie gerade daran, wie Sie eifrig Briefe ans Christkind verfasst haben? Oder an die Zeit, als Sie mit  Ihren Kindern diesen Brauch fortgeführt und so die Zeit bis Weihnachten verkürzt haben? Unglaublich, wie viel Zeit in diesem einen Ding steckt, das im 1. Österreichischen Museum für Alltagsgeschichte sorgsam verwahrt wird.

Objekt-ive Zeit

Sorgsames Verwahren. Durch diese Worte schimmert eine ganz zauberhafte Vorstellung von Zeit, finden Sie nicht auch? Sie scheint langsamer zu verstreichen, wirkt greifbar, sinnlich erlebbar. Dank der digitalen Dokumentation wird sie für uns alle weltweit sichtbar.

Betrachten Sie doch einmal in Ruhe die Tanzkarte in Schlittenform aus dem Südmährischen Museum Thayaland in Laa an der Thaya: ist sie nicht bezaubernd? Wie viel Aufwand darin steckt, wie viel Freude auf die Ballsaison? Gut, dass sie aufbewahrt worden ist:

 „Mein Lieblingsobjekt aus dem Museum ist eine kleine Tanzkarte in Schlittenform, da sie […] mich an Historienserien wie aktuell „Bridgerton“ erinnert.“

Miriam Feichtinger, Projektmitarbeiterin

Aber seien wir ehrlich, den Großteil unserer Zeit bestimmt der berühmt-berüchtigte Alltag. Doch ist dieser gar nicht so langweilig oder uninteressant, wie ihm oft unterstellt wird. Vor allem, wenn Museumsobjekte davon erzählen: Sie drehen für uns das Rad der Zeit zurück und zeigen uns den Alltag „von damals“, vor 70 oder 100 Jahren. – Schwer vorstellbar ohne Haushaltsgeräte, Werkzeug, Kochgeschirr und Gegenstände des täglichen Lebens. Genau hier zeigt sich die Bedeutung von Regionalmuseen als viel zitierte Stätten unseres kulturellen Erbes. Sie sammeln gerade auch diese Stücke, sie beforschen sie und stellen sie aus, sie verleihen ihnen den gebührenden Wert, sie pflegen die Verbindungen ins Heute.

Die Bedeutung der Digitalisierung für die Bewahrung und Weitergabe von Geschichten ist nicht hoch genug einzuschätzen. Sie unterstützt die Museen in ihren vielfältigen Aufgaben, schafft Zugänglichkeit und vor allem macht sie neugierig. So möchten auch wir Ihnen gerade für die bevorstehende Zeit zwischen den Jahren vorschlagen, in Museumsobjekten zu schmökern – online oder in einem Museum vor Ort. Wir versprechen Ihnen: Es ist keine Zeitverschwendung!

Text: Barbara Linke und Christa Zahlbruckner

 

    Dieser Artikel erschien zuerst im Magazin Schaufenster Kultur.Region, Ausgabe 4/2024:

    Weiterführende Links:

     

    BMKÖS-Förderprogramm „Kulturerbe digital“

    Das Museumsmanagement Niederösterreich hat von Mai 2023 bis August 2024 in acht Museen die Digitalisierung von mehr als 12.000 Objekten in 16 Monaten organisiert.13 externe Projektmitarbeitende konnten mit den Fördermitteln beauftragt werden. Sie alle erfuhren große Unterstützung durch die ehrenamtlichen Museumsteams. Vielen Dank dafür!

     

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