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Museumsmanagement Niederösterreich, Foto: Katrin Vogg

Kaltes Metall schenkt uns den Zauber der Weihnacht

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Bei Zinnfiguren denkt man häufig zuerst an Soldaten. Eine durchaus naheliegende, aber letztlich viel zu kurzsichtige Schlussfolgerung, zumindest wenn es um die Zinnfigurenwelt Katzelsdorf südlich von Wiener Neustadt geht. Zwar gibt es hier viele Zinnsoldaten, doch werden ebenso Szenen aus dem Alltagsleben, aus Märchen, Literatur und Filmen gezeigt. So tauchen die Gäste ein in Casanovas Venedig, in biblische Landschaften, erleben die „Jagd in verschiedenen Jahrhunderten“ oder erkunden die regionale Geschichte und treffen dabei auf Kaiser Maximilian vor der Wappenwand, auf den Minnesänger Ulrich von Liechtenstein und reisen zum Semmering.

Über 40.000 Figuren nehmen die Besucher*innen mit in verschiedene Vergangenheiten, welche in – oft selbstgefertigten – fantasievollen Dioramen lebendig und kunterbunt dargestellt werden. Auch das größte Figurendiorama Österreichs mit einer Fläche von gut 20 m² findet sich in Katzelsdorf – tatsächlich nahm es einst einen ganzen Raum einer Wiener Wohnung ein!

Aus dem Industrieviertel in die ganze Welt

Die Zinnfigurenwelt Katzelsdorf ist jedoch viel mehr als ein „gewöhnliches“ Museum, hier ist auch eine aktive Zinnfigurenmanufaktur beheimatet. Jährlich werden unzählige Figuren gegossen und verkauft. Zur Klientel zählen Museen und Andenkenshops genauso wie private Freund*innen der kleinen metallischen Kunstwerke. Kein Wunder, denn in Katzelsdorf versteht man sich auf deren Fertigung! 

Das ist auch dringend nötig, immerhin braucht es vier Handwerker*innen, um eine neue Zinnfigur herzustellen: Zunächst muss ein Zeichner eine Vorlage erstellen, nach welcher ein Graveur eine Steinform anfertigt. Anschließend wird die Figur gegossen und dann bemalt. Mittlerweile verfügt die Zinnfigurenwelt über mehr als 1200 verschiedene Formen, von denen der Großteil über hundert Jahre alt ist. Mit diesen Models lassen sich etwa 2000 Figuren herstellen, darunter viele weihnachtliche Motive!

Gerade jetzt im Advent brummt das Geschäft, werden Dekorationsanhänger und Krippenfiguren bestellt und in die ganze Welt verkauft. Oder auch vor Ort, etwa auf dem stimmungsvollen Wiener Neustädter „Advent beim Dom“. „Es ist uns als Museum wichtig, nicht nur auszustellen. Wir wollen dieses Kunsthandwerk bewahren und selbst Zinnfiguren gießen", erzählt der Museumsleiter Franz Rieder und fährt lächelnd fort, „Das Zinngießen ist noch lange nicht ausgestorben! Gerade in dieser Zeit des Jahres ist die Zinnfigur etwas ganz Besonderes, ob als Weihnachtsschmuck oder auch als Weihnachtskrippe!“

Kleine Figuren wecken Erinnerungen

„Der Zauber des Handwerklichen, die Wärme des Feuers bringen Gemütlichkeit. Das spüren die Käufer*innen. Es kommen Erinnerungen an früher auf, an Bilder und Emotionen, die manchmal tief verborgen sind, ja, von denen man oft gar nicht mehr weiß, dass sie noch in einem schlummern. Die Menschen fühlen sich erinnert. Es ist Nostalgie, welche die Figuren so anziehend macht: Die Motive rufen in uns Bilder von Weihnachten wach, mit all seinem Zauber, der im Alltag viel zu flüchtig ist."

Hannelore Handler-Woltran, Vorsitzende des Museumsvereins,
schildert die besondere Ausstrahlung, die von den kleinen Metallfiguren ausgeht.

Ohne Freiwillige geht es nicht!

Die Auftragsarbeiten erfreuen nicht nur das Auge, sie bilden auch die Haupteinnahmequelle des Museums, dessen Team ausschließlich aus ehrenamtlich Engagierten besteht. Deren unermüdlichen Einsatz ist es zu verdanken, dass Figuren bemalt, Dioramen gebaut und interessierte Gäste durch die sehenswerten Räumlichkeiten geleitet werden. Auch bei Veranstaltungen und Festen ist tatkräftige Unterstützung gefragt, die glücklicherweise oft auch von Familienmitgliedern und aus dem Freundeskreis der Vereinsmitglieder kommt.

Übrigens unterscheidet sich das Herstellungsverfahren heute nur unwesentlich von der Produktion vor 300 Jahren. Wer selbst einmal erleben möchte, wie die kleinen Kunstwerke entstehen, dem bietet sich dazu regelmäßig die Gelegenheit: An jedem ersten Sonntag im Monat findet im Museum ein Schaugießen statt und der Gießermeister zeigt bei Gruppenführungen sein Können. Man sieht, wie die Zinnlegierung (deren genaue Zusammensetzung streng geheim ist) in einem Tiegel geschmolzen, auf etwa 360 Grad erhitzt und in die Formen aus Schieferstein – oder, wenn es modernere Models sind – aus Aluminium oder Kautschuk gegossen wird. In nur zwei Sekunden härtet das Zinn aus.

Diese besonders kurze Fertigungsdauer ermöglicht die schnelle Produktion vieler Figuren. Das Bemalen allerdings nimmt bei den oft winzig kleinen Figuren viel Zeit in Anspruch und verlangt geduldige Hingabe von den eigens dafür geschulten Personen.

 

Text: Franz Rieder