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Museumsmanagement Niederösterreich, Foto: Katrin Vogg

Johann Wenzel Bergl: Erzählfreudige Bilderwelten

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Die Exotik fremder Welten

Paradoxe Angelegenheit! Viele kennen seine Wandgemälde (etwa die phantastischen Landschaftszimmer im Gartenpavillon des Stiftes Melk) – und dennoch ist der Name des Künstlers nur Kennern der Barockmalerei wirklich ein Begriff: Johann Wenzel Bergl. Den im September 1719 in der böhmischen Provinz geborenen Künstler zog es schon bald in die Residenzstadt Wien, wo er sich der damaligen Hofakademie anschloss. Einerseits erwartete er sich von den in der Nähe der Hauptstadt gelegenen Klöstern (denn sie waren zu jener Zeit die baufreudigsten Auftraggeber) ein reiches Betätigungsfeld. Andererseits wuchs damals eine Generation junger Künstler heran, die der Barockmalerei noch einmal frischen Schwung verleihen wollte. Mit dem wichtigsten Vertreter dieser Erneuerung arbeitete Bergl nicht nur in mehreren Projekten zusammen, er war auch Bergls Trauzeuge: Franz Anton Maulbertsch.

Sein Ruf als Spezialist

Obwohl nach 1750 die Nachfrage nach Freskomalereien kontinuierlich zurückging (die Finanzierung der Kriege Maria Theresias brachte die Stifte in finanzielle Bedrängnis), gelang es Bergl, sich einen Ruf als Spezialist aufzubauen. Was er schaffen konnte, traf den Nerv der Zeit – mit „Americanischen Zimmern“ gelang es dem Künstler, die Exotik fremder Welten an die Wände eleganter Kabinette zu zaubern. Neben diesen Landschaftsmalereien, die in Schloss Schönbrunn ebenso zu bewundern sind wie im Melker Pavillon, war der umtriebige Künstler aber auch in Böhmen und Ungarn tätig. Anlässlich des 300. Geburtstages können im heurigen Jahr vielerorts seine Werke bewundert werden.

Erzählfreudige Bilderwelt

Im Stift Klein-Mariazell im Wienerwald schuf Bergl ab 1757 seine frühesten eigenständigen Fresken – auch wenn der Maler damals schon an die vierzig Jahre alt war. Nicht nur die Deckengewölbe schmückte er mit seinen Fresken, auch an den Wänden finden sich erzählfreudige Schilderungen der Kindheit Jesu. In einem speziell erarbeiteten Rundgang können Gäste die Bilderwelten des Barock verstehen lernen, im ehemaligen Klostergarten werden darüber hinaus weitere Einblicke in das Schaffen des Malers gegeben. 

Ganz anders als in den feierlichen Kirchenmalereien von Klein-Mariazell stellt sich Bergls Kunst in Stift Melk dar. 1763 erhielt der Künstler den Auftrag, den Gartenpavillon neu zu gestalten. Das Ergebnis sind heitere Malereien, die man in einem Kloster nicht erwartet: Während im Festsaal die Erdteile Afrika, Amerika und Asien dem Kontinent Europa huldigen (eine kleine Schmeichelei des Stiftes gegenüber Kaiserin Maria Theresia), überraschen die angrenzenden Zimmer mit ihren Landschaftsdarstellungen. Im Spielzimmer – im Barock für das moderne Billardspiel genutzt – sieht sich der Betrachter ins ferne Amerika versetzt. Phantastische Tiere und verträumte Bewohner bevölkern diese „Neue Welt“. Viele Details gibt es zu entdecken! Zum Jubiläumsjahr erhielt der Pavillon deshalb eine zeitgemäße Möblierung, die die Gäste zu einer Reise in Bergls Phantasiewelt einlädt.

Ebenfalls im Rahmen von Sonderführungen zu besichtigen sind weiters Bergls Werke im Schloss Schönbrunn (wo der Künstler die sommerlichen Privatgemächer Maria Theresias mit Landschaftsausblicken schmückte) oder im Augustiner-Lesesaal der Nationalbibliothek in Wien. Im Stift Seitenstetten ist mit dem entzückenden Mineralienkabinett ein üblicherweise nicht zugänglicher Raum zu besonderen Anlässen geöffnet – dort malte Bergl die ehrwürdigen Götter des antiken Olymp in Kindergestalt an die Decke.     

Der Anti-Bergl: P. Florian Paucke

Als Gegenstück zu Bergls „Americanischen Zimmern“ präsentiert das Zisterzienserstift Zwettl eine besondere Kostbarkeit der Stiftsbibliothek: den Reisebericht des P. Florian Paucke. Wie Bergl vor 300 Jahren geboren kannte der Jesuit (im Unterschied zum Maler) das Leben der „Indianer“ aus eigener Anschauung; ab 1749 hatte er für fast zwanzig Jahre beim Stamm der Mokobier in Südamerika gelebt. Nach seiner Rückkehr nach Europa hielt er seine Erlebnisse in über 100 Zeichnungen fest, die das authentische Leben der Indigenen dokumentieren. Der über 1000 Seiten umfassende Bericht, in dem Paucke auf sein Leben in Paraguay zurückblickt, ist seit September 2018 Teil des UNESCO-Projekts „Memory of Austria“.

Autor: Andreas Gamerith

Orte des Schaffens

Basilika Klein-Mariazell, Klein-Mariazell 1, 2571 Altenmarkt an der Triesting

Stift Melk, Abt-Berthold-Dietmayr-Straße 1, 3390 Melk

Stift Seitenstetten, Am Klosterberg 1, 3353 Seitenstetten

Stift Zwettl, Stift Zwettl 1, 3910 Zwettl

Österreichische Nationalbibliothek, Josefsplatz 1, 1015 Wien

Schloss Schönbrunn, Schönbrunner Schloßstraße 47, 1130 Wien

Nähere Informationen zu Veranstaltungen des Bergl-Jahres finden Sie unter www.bergl2019.eu

Buch-Tipp

"Bergl - einerseits - andererseits": 160 großteils bisher unveröffentlichte bzw. eigens für das Buch fotografierte Abbildungen und viele Beiträge, die einen neuen Blick auf Bergl und sein vielseitiges Werk eröffnen. Herausgegeben von P. Martin Rotheneder und Andreas Gamerith, ISBN 978-3-9503864-4-8, 17,19 Euro. Erhältlich in den Shops im Stift Melk, im Klosterladen Klein-Mariazell und zu bestellen unter shop@stiftmelk.at .