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Museumsmanagement Niederösterreich, Foto: Katrin Vogg

Herzensprojekt Museum

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Von sakraler bis moderner Kunst, von Industriegeschichte bis Naturkunde, von Bildhauerei bis Landtechnik:

So reichhaltig die Themen sind, denen sich niederösterreichischen Museen und Sammlungen widmen, so vielfältig sind auch die Geschichten der Museumspersönlichkeiten, die diese Institutionen prägen.

Wir stellen vier Museumsmenschen und ihre Beweggründe vor.  

Lebenswerk und Lebenssinn

Mit dem Moped durch ganz Niederösterreich war Josef Geissler schon als 16-Jähriger unterwegs, um sich Kirchen, Schlösser und Museen anzuschauen. Das war der Beginn einer ungewöhnlichen Sammelleidenschaft, die bis heute ungebrochen ist: Kruzifixe und Altäre, Tabernakel, Heiligenbilder und Andachtsbildchen, Rosenkränze und Weihnachtskrippen, liturgische Geräte und Paramente. Hunderte Stücke, vorwiegend aus Niederösterreich und Umgebung, umfasst seine imposante kulturgeschichtliche Sammlung. Unprätentiöse kleine sind genauso dabei wie Meisterwerke vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert, die der gelernte Kirchenmaler, wenn nötig, selbst restauriert. Zu jedem Objekt kennt Herr Geissler die Geschichte, so wie zu einer Christusfigur von 1721: Auf einer Mülldeponie gefunden, nahm Herr Geissler sie in seine Obhut und konnte die Figur dem italienischen Barockbildhauer Giovanni Giuliani zuordnen, der über 30 Jahre im Stift Heiligenkreuz verbracht hatte. Nun hat die Figur einen würdigen Platz in der Sakralsammlung Josef Geissler gefunden, jenem wunderbaren Ort, der im Pfarrhof von Niedersulz untergebracht ist, vom Museumsverein und Herrn Geissler betreut wird und nach telefonischer Vereinbarung zu besichtigen ist.

"Ich könnte nicht sagen, was mich an meiner Arbeit am meisten begeistert. Alles ist faszinierend: Umschauen nach einem neuen Objekt –  Erwerben – Restaurieren – Aufstellen –  und dann beginnt das Ganze wieder von vorne…. Da ist schon ein gewisser Fanatismus dabei. Die Sammlung gibt mir eine große Befriedigung, einen Lebenssinn!"

Josef Geissler, Gründer der Sakralsammlung und des Weinviertler Museumsdorf Niedersulz

100 Jahre Familien- und Firmengeschichte

Durch ein drei Meter hohes, rotes Kameraobjektiv, das Eingeweihte an eumig-Filmkameras erinnert, betritt man das alte Feuerwehrhaus von Wiener Neudorf und taucht gleichzeitig ein in 100 Jahre Firmengeschichte von eumig. Mit viel Liebe zum Detail hat Uschi Seemann, Enkelin des eumig-Mitbegründers Karl Vockenhuber, hier gemeinsam mit ihrem Mann Gus und einem engagierten ehrenamtlichen Team ein Museum eingerichtet. Knapp 400 Objekte – darunter Rundfunkgeräte, Filmprojektoren, Schmalfilm- und Fotokameras, digitalisierte Super 8-Firmenfilme, Fotografien und Firmendokumente – geben Einblicke in die Geschichte des einst weltgrößten Produzenten von Tonprojektoren, dessen Produkte viele Menschen jahrzehntelang begeisterten. Auch ehemalige Mitarbeiter – mit über 6.000 Beschäftigten war eumig in den 1980er Jahren einer der zehn führenden Arbeitgeber Österreichs – kommen mitunter noch vorbei, so wie jener alte Herr, der mit seinem Sohn und der Enkeltochter dem Museum einen Besuch abstattete. Er hatte seinerzeit in der Direktionsetage bei eumig gearbeitet und übergab mit Tränen in den Augen einen alten Original-eumig-Firmenstempel aus der Gründerzeit, den er vor dem Wegwerfen anlässlich der Firmenschließung gerettet hatte. Noch lange hielt er mit Uschi Seemann Kontakt. Sein letzter Besuch galt der Eröffnung des renovierten Museums.

"'Schreib doch die Geschichte der Firma eumig!', diesen Satz hörte ich von meinem Vater, dem Miteigentümer und Mitgeschäftsführer der eumig, als ich mit 16 Jahren meinen ersten Ferialjob in der Firma absolvierte. Fast 50 Jahre später begeistere ich mich gemeinsam mit meinem Mann, angefeuert durch unsere Vereinsmitglieder und das große Interesse der Museumsbesucher, diese spannende österreichische Wirtschaftsgeschichte museal aufzuarbeiten. Die Vielfalt der Arbeit, der Kontakt mit den Besuchern, die Zusammenarbeit mit anderen Museen, das Forschen und Lernen bedeuten für uns sinngebenden Alltagsluxus."

Uschi Seemann, Leiterin des eumigMuseum

Sammler und Brückenbauer

In Fratres, in unmittelbarer Nähe zu Tschechien, befindet sich seit 1997 das Museum Humanum. Hier hat sich der Journalist, Weltreisende und Kunstsammler Peter Coreth in einem aufwändig restaurierten Gutshof seinen Traum vom eigenen Museum verwirklicht. Objekte aus unterschiedlichsten Kulturen, Religionen und Jahrhunderten – mehrere tausend insgesamt – hat er zusammengetragen und in der Dauerausstellung sorgsam miteinander in Beziehung gesetzt. Nicht nach Jahrhunderten oder Kunstepochen hat er sie arrangiert, sondern nach innerer Zusammengehörigkeit. Die Themen handeln beispielsweise von "Leben und Überleben", von "Götterwelten", "Mythos und Religion", "Feindabwehr und Macht" oder von der "Kunst der Anthropozentrik". Die Ausstellung versucht, den Blick auf das Gemeinsame, Verbindende zu lenken und das Interesse für das Fremde, Andersartige zu wecken. Gemeinsam mit dem Verein Kulturbrücke Fratres, der im Gutshof beheimatet ist, wird hier, ganz im Norden des Waldviertels, seit Jahren grenzüberschreitende Kulturarbeit gemacht und gelebt.

"Mit 27 Jahren als Journalist in London gestrandet, begann ich Kunstobjekte zu erwerben, von denen ich berührt war; zuerst planlos, dann immer mehr nach einem synoptischen, transkulturellen Konzept. Meine Hypothese war, dass Artefakte mehr von sich preisgeben, wenn man sie in Beziehung zueinander setzt, sie nach Motiven und Themen präsentiert. Weil ich ein solches Museum nirgendwo finden konnte, verstand ich irgendwann, dass ich es selber machen muss. Als ich bei meiner ersten Besichtigung 1991 im Renaissance-Stall des Gutshofes Fratres zwischen den Kühen stand, war mir klar: Das ist der Ort für mein Museum Humanum!"

Peter Coreth, Museumsgründer, Museum Humanum

Faible für sakrale Kunst

Nach dem Studium der Geschichte und Kunstgeschichte war Barbara Taubinger in Niederösterreichs Diözesanpfarren unterwegs, um dort kirchliche Kunstgüter zu inventarisieren. Seit 2012 ist sie Mitarbeiterin im Diözesanmuseum und Diözesankonservatorat, seit 2020 hat sie die Leitung des Diözesanmuseums inne. Das 1888 im ehemaligen Augustiner Chorherren Stift St. Pölten gegründete Diözesanmuseum war das erste derartige Museum in Österreich. Die Bestände mit Schwerpunkt sakraler Kunst sind auf eine umfassende und vielfältige Sammeltätigkeit zurückzuführen und reichen von archäologischen Funden über historische Dokumente, Münzen und Medaillen bis zu Objekten der Malerei, Plastik und Kleinkunst aus allen Epochen. Das Museum wird im Frühjahr 2021, nach umfangreichen Umbaumaßnahmen und mit barrierefreiem Zugang vom Domplatz, als "Museum am Dom" wiedereröffnet, und zwar mit der von Frau Taubinger kuratierten Reliquienausstellung "Himmlische Seelen. Knöcherne Juwelen".

"Schon in meiner Schulzeit im Stiftsgymnasium Melk habe ich bei der Betrachtung der barocken Fresken in der Stiftskirche über die Jahre hinweg immer neue Details entdeckt. Auch heute bemerke ich bei der Beschäftigung mit Museumsobjekten immer wieder interessante, verborgene Aspekte – jedes Objekt erzählt seine eigene spannende Geschichte. Besonders die christliche Kunst birgt so viele Interpretationsebenen, die heute großteils beim bloßen Betrachten nicht mehr ‚gelesen‘ werden können. Museumsbesucherinnen und -besuchern diese ‚Lesefähigkeit‘ wieder zu vermitteln, ist mir ein großes Anliegen."

Barbara Taubinger, Diözesankonservatorin und Direktorin des Museum am Dom

 

Text: Karin Böhm

Dieser Artikel ist ursprünglich im Schaufenster Kultur.Region erschienen.