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Museumsmanagement Niederösterreich, Foto: Katrin Vogg

Feinarbeit

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Zwei nebeneinander angeordnete Schluckbildchen

Feine, zarte, sehr kleine Dinge – wie detailreiche Scherenschnitte, Schnitzereien aus Elfenbein oder auf Blattgold radierte Landschaften – erfordern in der Herstellung genauso wie in der Aufbewahrung und Präsentation ein besonderes Maß an Behutsamkeit und Aufmerksamkeit:

Eintauchen in die Welt der kleinen Dinge anhand von fünf Beispielen aus niederösterreichischen Museen.

Meisterwerke des Fingerspitzengefühls

Bereits als Fünfjährige fertigte Josefine Allmayer (1904-1977) Scherenschnitte an und übertraf bald ihren Vaters Hans, selbst Zeichner und Psaligraph (Ausschneidekünstler), an Detailgenauigkeit und Kunstfertigkeit ihrer Arbeiten. Kleine Scheren, ein Taschenmesser, ein Stichel: Das waren Allmayers Werkzeuge. Aus schwarzem Papier fertigte sie – zuerst im einfachen Hohlschnitt, bald im anspruchsvolleren Faltschnitt und im freien Schnitt – ihre Kunstwerke. Verblüffende Tiefenwirkung erzielte sie mit der Anwendung einer besonderen Technik: Zwischen Vorder- und Hintergrund legte sie färbiges Transparentpapier, das die Schwarz-Weiß-Schnitte zu dreidimensional wirkenden Stimmungsbildern werden ließ. Im Alter von 25 Jahren war Josefine Allmayer, die einen Großteil ihres Lebens in Gugging verbrachte, eine der bedeutendsten Scherenschnittkünstlerinnen im deutschsprachigen Raum, und das ohne je eine künstlerische Ausbildung erfahren zu haben.

Der Großteil ihrer Arbeiten war "Gebrauchsgraphik" zur Illustration von Büchern, Zeitschriften und Künstlerkarten, was auch die Vielzahl ihrer Motive beweist. Ihre Scherenschnitte wurden in über 400 Druckmedien veröffentlicht, an die 1000 Künstlerkarten wurden hergestellt. Heute können Allmayers Werke im Universalmuseum Kierling bewundert werden, das der Künstlerin einen eigenen "Allmayerraum" gewidmet hat.

Bilder zum Hinunterschlucken

Etwa 24x24 Millimeter klein – gerade mal so groß wie Briefmarken – sind 15 Bilder mit Heiligendarstellungen aus dem museumkrems. Diese sogenannten "Schluckbildchen", die bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts meist im Kupferstich-Verfahren hergestellt wurden, konnten bogenweise in Wallfahrtsorten erworben werden. Sie wurden von Gläubigen in kleinen Etuis aufbewahrt und mit sich getragen. Bei Gefahr und Krankheit wurden sie berührt, besser noch in Wasser aufgelöst und geschluckt oder überhaupt in Brot gebacken und gegessen. Die beste Krankenversicherung!

Doch diese magischen Bildchen dienten nicht nur zum Verzehr und als Heilung von Krankheiten. Sie wurden auch mit anderen Devotionalien und Reliquien in Behälter verpackt und beispielsweise in Kirchen-Dachstühlen deponiert. Hier sollten sie als "Blitzableiter und allgemeine Gebäudeversicherung" dienen, wie die Wissenschafterin Celine Wawruschka in ihrem Blog schreibt. Sie war es auch, die anlässlich des Projekts MuseumsMenschen die Geschichte der zehn ältesten niederösterreichischen Stadtmuseen erforschte und die Kremser Schluckbildchen im Depot des museumkrems näher untersuchte. Diese waren übrigens in einer kupfernen Kapsel bei der Erneuerung des Turmdaches der Steiner Minoritenkirche 1974 gefunden worden.

 

Feinste Schnitzereien

Ein besonders fein gearbeitetes Objekt ist ein Weihwasserbecken aus dem Stift Neukloster. Feinstes Blattwerk umrahmt das Objekt, auf feuervergoldeten Kupferelementen finden sich Verzierungen aus Elfenbein, Koralle, Perlmutt, Bernstein und Silber. Ein kleines Weihwasserbecken aus Silber bildet die Überleitung zum Hauptmotiv: eine aus Elfenbein geschnitzte Figurengruppe, welche die Geburt Christi darstellt.

Dieses aus dem 17. Jahrhundert stammende Weihwasserbecken ist eines von etwa 5.000 Objekten aus der Sammlung des Stifts Neukloster. Seit Mai 2017 sind ausgewählte und vom Institut für Konservierung und Restaurierung der Universität für angewandte Kunst Wien fachmännisch restaurierte Objekte aus der Kunst- und Wunderkammer von Neukloster für die Öffentlichkeit zu sehen: In einem Raum, der lange Zeit als Probezimmer für den Stiftschor diente, kann man nun einen Einblick in die barocke Sammeltätigkeit des Klosters bekommen.

Den Anlass dafür bot das Pilotprojekt "Schätze ins Schaufenster – Qualitätsoffensive Museumsdepots", bei dem in insgesamt sechs niederösterreichischen Stadt-, Stifts- und Regionalmuseen bedeutende kulturhistorische Sammelbestände aufgearbeitet, inventarisiert, gefährdete Objekte konserviert und geeignete Depoträumlichkeiten geschaffen wurden.

 

Zwischengoldgläser

Zwischen zwei exakt ineinanderpassenden Hohlgläsern befindet sich ein Medaillon aus Blattgold oder Blattsilber, worauf vorab entsprechende Motive appliziert wurden: kalligrafierte Widmungen oder Gedichte; radierte Landschaften, Genreszenen oder Monogramme, die meist noch mit rotem Lack hinterlegt oder auf Pergamentpapier gemalt wurden. Die Medaillons sind sowohl in der Wandung als auch im Boden der Gläser zu finden, manchmal auch in beiden gleichzeitig. Zusätzlich sind diese Zwischengoldgläser oft noch mit Schliff geschmückt: Der in Kaltenberg in Nordböhmen geborene und ab 1784 in Gutenbrunn beheimatete Johann Joseph Mildner (1765-1808) brachte diese besondere Technik zu neuer Blüte und höchster Perfektion.

Über 400 Werke von Johann Joseph Mildner sind dokumentiert – das ist auch deshalb nachgewiesen, weil Mildner die meisten seiner Werke signiert und datiert hat. Seine Arbeiten zählen zu den kostbarsten Beispielen der Glasveredelung – nicht umsonst spricht man von sogenannten "Mildnergläsern".  

Mehr über den berühmten Glaskünstler kann man im Truckerhaus in Gutenbrunn erfahren. Anschließend empfiehlt sich eine Wanderung durch den Weinsbergerwald, wo 54 Objekte die Geschichte der Region vom Mittelalter bis ins Industrielle Zeitalter erzählen.

Präzisionsarbeit

Im ehemaligen Gendarmerieposten im Karlsteiner Rathaus ticken heute die Uhren anders: Seit 2003 ist dort nämlich ein kleines Uhrenmuseum beheimatet. 200 verschiedene Exponate kann man hier bewundern, genauso wie Werkzeuge, Messgeräte und Maschinen, Schlagwerke und ewige Kalender. Sie legen Zeugnis ab von der einstigen Bedeutung des "Horologenlandes" – so die Bezeichnung für das nördliche Waldviertel rund um Karlstein in Referenz an die Hochblüte der Uhrenindustrie vor 200 Jahren. Bis in die 1730er Jahre geht die Geschichte zurück, als Holzuhren mit Holzwerken, -rädern und -zifferblättern hergestellt wurden, die lediglich Stunden anzeigten und alle sechs Stunden aufgezogen werden mussten. Während der Blütezeit in den 1830er Jahren stellten vorwiegend Familienbetriebe an die 130.000 Uhren pro Jahr her. 1873 wurde schließlich die erste Uhrmacherschule gegründet, die heute Teil einer HTL ist.

In der "lebenden Werkstätte" im Uhrenmuseum werden Uhren repariert und kleine Serien von Präzisionspendeluhren, Planetarien, Tischuhren oder auch Armbanduhren in Handarbeit hergestellt. Dabei kann man den (angehenden) Uhrmachermeisterinnen und -meistern über die Schulter blicken. Feinmotorik und bestes Sehvermögen sind hier genauso gefragt wie Geduld und höchste Konzentrationsfähigkeit.

 

 

 

Text: Karin Böhm

Dieser Artikel ist ursprünglich im Schaufenster Kultur.Region erschienen.