Digitalisierung und die Türen zur Welt
Wenn Türen sich öffnen... sollte man mutig hindurchgehen!
Übersetzt man das Wort Türen auf Englisch, so wird daraus doors. Dieses Wort steht auch für DOORS – Digital Incubator for Museums, für die digitale Einrichtung zur Förderung von Museen. Dieses Horizon 2020-Projekt wurde initiiert von Ars Electronica, MUSEUM BOOSTER und Ecsite, um kleinen und mittelgroßen Museen in ganz Europa die Möglichkeit zu geben, die Richtung der digitalen Transformation des Kultursektors mitzubestimmen.
Wir vom Museumsmanagement Niederösterreich hatten die Möglichkeit, aus diesem Programm heraus die virtuelle Karte DIPworld zu entwickeln und gemeinsam mit dem Kaiser Franz Josef Museum in Baden an einer Sonderausstellung zu arbeiten. In diesem Blogbeitrag erzählen wir von unseren Erfahrungen und hoffen, den vielen niederösterreichischen Regionalmuseen Mut und Lust zu vermitteln, sich an Programmen dieser Art zu beteiligen. Denn eines sei schon vorweg genommen: Der nachhaltige Ganze ist weitaus größer als die Summe seiner Einzelteile!
Digitalisierung im Museum:
Bedrohung, Herausforderung oder Chance?
Seit einigen Jahre schon wird die Rolle eines Museums als öffentlicher Raum der Sammlung und Wissensverbreitung leidenschaftlich diskutiert. Insbesondere die Demokratisierung von Wissensquellen steht im Mittelpunkt der Diskussion, die durch die fast allgegenwärtige Verfügbarkeit moderner Technologien die Art und Weise, wie man sich heute Wissen aneignet, beeinflusst. Diese Veränderungen gehen auch an Kultureinrichtungen nicht spurlos vorüber, sind sie es doch, die sich der Vermittlung von unterschiedlichen Inhalten für verschiedene Zielgruppen in ihrer täglichen Arbeit annehmen.
Daraus ergeben sich Fragen wie: Welche sind die Veränderungen, auf die ein Museum zu reagieren hat, und wie soll es das am besten tun? Welche Ressourcen und Strukturen sind notwendig, um eine stimmige Verbindung von physischen Angeboten vor Ort und jenen online zu schaffen? Gerade mit der Erfahrung einer globalen Pandemie wissen Museen heute, dass sie an ihrer Widerstandsfähigkeit arbeiten müssen und die Digitalisierung ein wichtiges Mittel dabei sein kann. Sie ermöglicht es, kulturelle Angebote zeit- und ortsunabhängig zu erkunden, neue Wege zur Verbreitung von Inhalten einzuschlagen und gleichzeitig neue Einnahme- und Organisationsmodelle zu kreieren.
Digitalisierung und Regionalmuseen: Alles eine Frage der Zeit
Die Herausforderungen der Digitalisierung sind für kleinere Museen besonders groß, da sie nur selten im ausreichenden Maße über die nötigen Technologien, Strukturen und das Wissen verfügen, digitale Strategien umzusetzen. Diese Digitalisierungslücke zu verkleinern, ist das Ziel von DOORS: Kleine Institutionen bekommen den (internationalen) Raum, ihre Bedürfnisse zu äußern, und erhalten im Gegenzug Zugang zu Wissen, Ressourcen und Expertise im Rahmen eines europaweit agierenden Inkubations- und Qualifizierungsprogramms.
Bei allen Vorteilen, welche die Digitalisierung bietet, so sorgt sie mitunter auch für den Eindruck von Stress. Schnell macht sich das Gefühl breit, man wäre zu spät, zu langsam, zu schlecht organisiert. Umso wichtiger ist es, so war dem DOORS-Team schnell klar, sich bewusst Zeit zu nehmen: Zeit, sich kritisch mit den digitalen Technologien und auch mit den damit verbundenen Bedenken auseinanderzusetzen. Zu sagen, wenn etwas nicht funktioniert – und vor allem auch, wenn man etwas nicht weiß! Nicht die Technologien bestimmen über uns, sondern wir über sie. Entscheidend ist, wie wir sie verwenden. So ist das Ziel für alle Museen jenen digitalen Reifegrad zu erreichen, der die Integration von Technologie in bestehende Praktiken ermöglicht, und ein Museum so zu einem anpassungsfähigen, vielfältigen und integrativen Raum werden lässt. Dazu zählt auch, das bestehende Portfolio und die gewohnten Dienstleistungen für das Museumspublikum zu untersuchen und herauszufinden, wie digitale Technologien hierbei unterstützen, das kulturelle Angebot vor Ort und online zu bereichern.
DOOR-opener auch für die niederösterreichische Museumslandschaft
Wir vom Museumsmanagement Niederösterreich bewarben uns um die Teilnahme an diesem zukunftsweisenden Projekt beworben und wurden – neben 40 weiteren europäischen Regionalmuseen und Kulturinstitutionen – gemeinsam mit dem Kaiser Franz Josef Museum Baden für die so genannten Incubation Phase ausgewählt. Spannende Workshops, inspirierende Vorträge, hilfreiche Einzelgespräche, einfach der anregende Austausch mit Expertinnen und Experten, Digital Solution Providers, dem DOORS-Team und vor allem den Vertreterinnen und Vertretern anderer Museen kennzeichneten diese Phase, die von der Zusammenführung von viel Theorie mit noch mehr Praxis gekennzeichnet war. Es entstanden zahlreiche Miro Boards, Notizen und Memos und neben vielen Online-Meetings traf sich das Projektteam auch persönlich vor Ort im Museum in Baden. Gemeinsam erarbeiteten wir von April bis Juni 2022 das Projekt Designs that keep you warm - a digital fireplace.
Zum Projekt "Digital Warmth – Digitale Wärme"
In vielen Sammlungen in Niederösterreich gibt es kunstvolle Kachelofenmodelle. Das Kaiser Franz Josef Museum Baden besitzt ein besonders sehenswertes Konvolut. Doch wie kann man dieses und weitere interessante Stücke der Wissenschaft und Forschung, Stakeholdern und auch dem Publikum zugänglich machen? Diese Frage war der Ausgangspunkt für unser Projekt.
Nachdem die Kachelsammlung des Kaiser Franz Josef Museums bereits digitalisiert und im DIPkatalog des Museumsmanagement Niederösterreich online präsentiert wurde, sollte sie für die verschiedenen Nutzer*innengruppen besser aufbereitet werden. Das Ziel ist, den bestehenden Online-Katalog um neue Funktionen zu erweitern, eine benutzerfreundlichere Visualisierung zu schaffen und so bessere Einblicke in die Bestände zu erhalten. Diese Art der Präsentation soll es den Besucher*innen ermöglichen, die Sammlung spielerisch zu erkunden, Fragen zu Designs, Emotionen und Erinnerungen zu stellen und sogar eine persönliche Verbindung zu den Objekten aufzubauen. In Citizen Science-Aufrufen und mit wissenschaftlicher Bearbeitung wird außerdem erhoben, wo sich auch heute noch entsprechende Kachelöfen in Privatwohnungen oder öffentlichen Einrichtungen befinden. Diese Erweiterung verbindet die aufgefundenen Objekte darüber hinaus mit den Sammlungen anderer Museen. Diese neuen Funktionen stehen als Open Source-Software zur Verfügung.
Und weiter geht's: Digital Warmth Stage 2
Nach dem erfolgreichen Abschluss der Incubation Phase, wurden 20 europäische Museen für die zweite Runde des DOORS-Programms ausgewählt. Ab November 2022 stand die Umsetzung der jeweiligen Digital Pilots im Mittelpunkt. Auch unser Digital Warmth-Projekt rund um die Kachelofensammlung des Kaiser Franz Josef Museum Baden wurde ausgewählt, wodurch wir nun an einer neuen Visualisierung und Vernetzung der Sammlungsobjekte arbeiten konnten.
Was hieß das nun genau? Der bestehende DIPkatalog wurde mit der Plattform DIP.world zu einer interaktiven Online-Karte weiterentwickelt. Dank dieser werden Objekte in neue Kontexte gesetzt, Orte, Geschichten und Prozesse verbunden und der Multi-Stakeholder-Austausch zwischen Museen, Forschenden und Publikum wird erleichtert.
Auf diese Weise gelingt die Verbindung von Tradition und Innovation auf vorbildliche Weise: Kachelöfen – ein in Österreich tief verwurzeltes und hoch geschätztes Kultur- und Handwerksgut, das seit Jahrhunderten genutzt und adaptiert wird und den Alltag der Menschen widerspiegelt – werden so zu einem Vorbild für die Digitalisierung und die sammlungsübergreifende Präsentation von Kulturgütern!
Wir laden zur Ausstellung vor Ort – und zur Entdeckungsreise
Die Ergebnisse aus dem DOORS-Projekt "Digital Warmth" führten zur Gestaltung einer Sonderausstellung im Kaiser Franz Josef Museum Baden. Unter dem Titel "Digitale Wärme. Eine Geschichte der Ofenkachel" zeigt dieses Regionalmuseum nun erstmals Teile seines Bestands an historischen Kacheln in Verbindung mit wissenschaftlichen Erkenntnissen, sozialer Relevanz und künstlerischer Verarbeitung. Die Ausstellung, die von 29.Juni 2023 - 31.Oktober 2023 besichtigt werden kann, erläutert die Herstellung und die Geschichte von Öfen und Ofenkacheln vom 13. Jahrhundert bis in die heutige Zeit. Lesen Sie mehr zur Ausstellung, ihren Hintergründen und der Umsetzung in unserem Blogartikel.
Doch bleibt die Ausstellung nicht hinter den Museumstüren stehen! Ganz im (wortwörtlichen) Sinne des Programms DOORS überwindet sie die physisch-geografischen Grenzen. Mit der Online-Karte DIPworld sind neben den Stücken des Badener Museums auch Kacheln und Kachelmodeln anderer niederösterreichischer Museen zu sehen. Und es bleibt nicht beim reinen Betrachten vor Ort im Museum. Interessierte sind herzlich eingeladen, auch zuhause in der DIPworld zu schmökern, sich von den angezeigten Objekten inspirieren und vielleicht sogar überraschen zu lassen, online Kommentare und Fragen zu stellen, Informationen hinzuzufügen und sich so aktiv an aktuellen Forschungsinteressen und Forschungsfragen rund um die Ofenkachel zu beteiligen.
Zum Abschluss: Darf's ein bisschen mehr sein?
Dieser Artikel erläutert unsere Erfahrungen mit einem EU-geförderten Projekt, das Kulturinstitutionen aus ganz Europa zum Austausch zusammenbrachte, sie miteinander und voneinander lernen ließ und dabei immer auch die Nachhaltigkeit in der Heimatregion als wichtiges Ziel mitbedachte. Mehr zu DOORS und den verschiedenen Projekten, die aus diesem Programm resultierten, zu den Erkenntnissen und ihrer Umsetzbarkeit für die Zukunft der kleinen und mittelgroßen Museen, lesen Sie in der abschließenden E-Publication "Breaking the digital ceiling" (auf Englisch). Beim digitalen Abschlusstreffen am 29. September 2023 sprechen die 20 Museen, die ihre Konzepte in der letzten Phase des Programms zum Leben erweckt haben, über die Gegenwart und Zukunft ihrer kürzlich gestarteten Projekte und ihren Beitrag zum kollektiven Know-how des Sektors.
Für uns vom Museumsmangement bedeutete die Teilnahme an DOORS einen enormen Wissensgewinn, eine beträchtliche Stärkung der Vernetzung zu europäischen Partner*innen und nicht zuletzt die Etablierung "unserer" DIPworld. Zum heutigen Tag ermöglicht sie die Erforschung von Ofenkacheln in niederösterreichischen Museen. Dank der Vorteile der Digitalisierung ist diese Reise in die Museumswelt aber noch lange nicht abgeschlossen!
Text: Christa Zahlbruckner und Barbara Linke
Weiterführende Links:
- DOORS – Digital Incubator for Museums
- MUSEUM BOOSTER
- ECSITE
- DOORS - Incubation Phase
- Kaiser Franz Josef Museum Baden
- Designs that keep you warm – a digital fireplace
- DIPkatalog des Museumsmanagement Niederösterreich
- DIPworld
- Blogartikel: Digitale Wärme | Digital Warmth – eine Geschichte der Ofenkachel
- E-Publication: Breaking the digital ceiling
- Anmeldung: Final Presentation (online, 29. September 2023)